Schussfahrt
eine Statue einen feinen Haarriss bekäme und
immer schneller zerbröckelte. Er straffte sich, und schon hatte er die coole
Fassade wieder hochgezogen.
»Ist das dein
Fall?«, fragte er.
»Wieso, Martl?«
Gerhards Stimme wurde schärfer. »Und spar uns die Zeit, entweder du redest
jetzt mit mir, oder ich lass dich festnehmen. Es ist ernst.«
Martl ließ den
Finger über dem Rand des Cappuccinobechers kreisen und sah auf. »Es ging um
einen Sponsorenvertrag, oder besser um einen, den ich kündigen wollte.«
Martl klang noch
immer sehr, sehr taff.
Gerhard nickte.
»Kannst du vielleicht für dämliche Laien wie mich etwas mehr Licht in diese
Aussage bringen?«
Zynismus war
eigentlich nicht Gerhards Sache, dachte Jo, aber sie spürte: Er war angespannt
wie selten in seinem Leben.
»Okay«, sagte Martl,
»ich muss aber etwas weiter ausholen. Also: Der Skiverband ist für die
sportliche Seite zuständig, der Skipool für die Ausrüster. Im Skipool werden
Firmen wie Ski-, Schuh- und Bekleidungshersteller gegen Gebühr und
Jahresbeitrag aufgenommen, und sie nehmen Athleten unter Vertrag. Der Verband
kontrolliert die Verträge und setzt Mindestsummen fest. Diese Firmen sind aber
keine Sponsoren. Unter Sponsoren versteht man jene Firmen, die als Aufnäher am
Körper des Athleten erscheinen, als Teamsponsoren sind es für alle Sportler
dieselben. Das alles bringt aber nur Prämien, wenn du wirklich on top bist. Um
echt Kohle zu machen, ist ein frei wählbarer Individualsponsor nötig – im Fall
deutscher oder österreichischer Athleten ›Kopfsponsor‹ genannt, weil er sich
auf einem Käppi oder Stirnband wiederfinden will. Da geht es um
Jahrespauschalen, und die sind nicht gerade niedrig. Auch diese Verträge werden
vom Verband überprüft, sind genehmigungspflichtig – auch damit sie dem Athleten
gerecht werden und damit der Sponsor nicht etwa ein Konkurrenzprodukt zu einer
der Firmen im Skipool vertreibt.«
»Aha«, Gerhard hatte
aufmerksam zugehört, »sehr lehrreich, und wie kommt man an so einen
Kopfsponsor?«
»Nun, es passiert
wirklich, dass einer anruft und fragt, ob dein Kopf noch frei ist.« Martl versuchte
ein Lächeln und machte eine Kunstpause angesichts dieses Wortwitzes. Ganz der
Medienprofi!
Gerhard war nicht so
leicht zu beeindrucken. »Weiter!«
»Es kommt vor, dass
der Sportler selbst einen Sponsor sucht. Das läuft zu fast hundert Prozent über
Agenturen, denn du hast selbst weder die Zeit noch die Erfahrung für solche
Verhandlungen. Es geht heute immer um ein Komplettkonzept, um die Einbindung
des Athleten in das Werbekonzept, und das kann nur eine Agentur leisten.«
Gerhard schaute auf
Martin Neuners Baseball-Käppi. »Aber demnach hast du das Allgäuer Brauhaus als
Hauptsponsor, und auch wenn Rümmele gern mal Bier getrunken hat, hatte er da
doch wohl keine Anteile.«
Martl sah gequält
aus. »Ja, der Biervertrag ist offiziell, wasserdicht, von der Liechtensteiner
Agentur arrangiert und läuft leider aus. Deshalb hatte ich noch einen Vertrag
mit Rümmele, sozusagen einen privaten.«
Martl stockte
erneut. Gerhards Eisblick hieß ihn, weiterzusprechen.
»Als ich vorhatte zu
bauen, kam Rümmele eines Tages vorbei und schlug mir einen Deal vor. Er würde
die Kosten auf die Hälfte senken, wenn ich ihm ab und zu für private Empfänge
oder so als prominentes Aushängeschild zur Verfügung stünde. Mein Gott, Sponsorenverträge
beinhalten immer Leistungen von Seiten der Athleten, also beispielsweise fünf
Tage in der Saison verfügbar für PR -Aktivitäten
zu sein: Skifahren mit Topkunden, Messebesuche, Präsenz auf Incentives,
Autogrammstunden. Ich dachte mir halt, so dramatisch kann das nicht werden.
Leider habe ich den Vertrag nicht aufmerksam gelesen. Es begann damit, dass ich
genötigt wurde, unter betrunkenen Fußball-Hooligans Autogramme in einem
verkommenen Einkaufszentrum zu geben, und endete mit Rümmeles Privatfeten, wo
seine Gäste …«
Martl sah zwischen
Jo und Gerhard hin und her. Jo schwante etwas. »Du willst sagen …?«
»Mensch, du weißt
doch, wie das ist. Viel Alkohol, viel zu viel Alkohol, eine Sauna- und
Whirlpoolparty …« Er schaute Gerhard hilfesuchend an.
Jo spürte eine
Hitzewelle in sich aufsteigen, das Verlangen zu kotzen. Ein gekaufter Gigolo
von Rümmeles Gnaden, der – kaum war er von ihr heruntergestiegen – auf die
alternden Society-Schlampen umgestiegen war. Sie fühlte sich so benutzt!
»Na, das kann dir ja
nicht schwer gefallen sein, die Damen
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