Schussfahrt
Knie. »Verstehen Sie jetzt, wieso mir das alles so schwer fällt? Beide
Hauptverdächtige sind ausgerechnet Ex-Freunde von mir. Und deshalb trifft Gerhard
auch gar keine Schuld. Er wollte mich schützen und …«
Gerhard unterbrach
sie: »Ja, aber das rechtfertigt natürlich nicht, dass ich …«
»Geschenkt!«, sagte
Volker Reiber noch einmal laut, aber nicht unfreundlich. »Fassen wir einmal
zusammen. Martin Neuner ist unser Hauptverdächtiger. Marcel Maurer ist nicht
aus dem Schneider, aber ich bin geneigt, an seine Unschuld zu glauben. Damit
wir uns aber jetzt nicht zu sehr festbeißen: Gibt es denn noch andere
Möglichkeiten?«
Jo schüttelte
betrübt den Kopf.
Gerhard überlegte.
»Wir müssen ganz genau rekapitulieren, wer über den SAF -Vertrag Bescheid wusste. Jo?«
»Na ja, der Bauer
Karl, Jochen Löhle, wohl noch einige Leute bei der SAF , Martl, seine Familie, Rümmele, Gerhard und ich«, sagte
Jo.
»Hm. Herr Rümmele
ist tot, Martl verschwunden, auf Sie wurde geschossen. Sinnvoll ist wohl, dass
wir uns diese SAF mal näher
ansehen. Das werden wir klären, zuerst aber die Fahndung nach Herrn Neuner
verstärken. Und Sie, Frau Doktor Johanna Kennerknecht, halten sich raus. In
Ihrem Interesse! Wäre doch schade um Ihren cleveren Kopf. Und ums Knie auch.
Das brauchen Sie ja wahrscheinlich noch zum Reiten oder was Sie sonst noch so
machen in dieser schier unerträglich gesunden Luft. Ich gebe ja gern zu, dass
mir diese Allgäuer mit ihrem winterlichen Bewegungsdrang sehr suspekt sind.
Schonen Sie Ihr Knie fürs Skifahren, auch wenn es mir ein Rätsel bleiben wird,
was daran so toll ist, auf rutschigen kippligen Latten gegen die Schwerkraft
anzukämpfen.«
Volker Reiber
drückte Jo die Hand. »Den Neuner werden wir finden, Sie erholen sich erst mal.
Und Sie, Herr Weinzirl, passen auf die junge Dame auf. Ist das klar?«
Gerhard nickte
überrascht.
»Was passiert denn
solange mit Marcel?«, wollte er noch wissen. »Verwerfen wir die Idee, dass er
doch etwas damit zu tun hat?«
»Nein, das nicht,
aber wir lassen ihn erst mal laufen. Vorerst – bis wir dieses Skiphantom
wiedergefunden haben.« Reiber klang entschlossen. Er drehte sich noch mal um.
»Und Ruhe geben! Klar!«
Jo winkte ihm zu,
Gerhard erhob sich und begleitete ihn nach draußen. »Herr Reiber, ich steh in
Ihrer Schuld. Ich werde Ihnen das nie vergessen.«
Reiber wiegte den
Kopf. »Das glaube ich Ihnen. Ich glaube Ihnen, dass das keine Floskel ist. Mir
ist seit geraumer Zeit aufgegangen, dass ich bei meinen Ermittlungen das halbe
Allgäu gegen mich hatte. Aber Sie müssen zugeben: Für Außenstehende ist das
auch ein merkwürdig verschlossener Menschenschlag.«
Gerhard schluckte
und sagte nichts, gab ihm lediglich die Hand mit einem festen Händedruck.
Aus dem noch immer
offen stehenden Bus kam Mümmi hocherhobenen Schwanzes herausgeschnurrt. Volker
verkrampfte sich. Sie umstrich einmal seine Beine, blickte ihn an und zog
davon. Gefolgt von Moebi, der wie ein Gummiball hinter ihr hersprang. Dann
schauten sie sich beide gleichzeitig um und hefteten ihre mysteriösen Augen auf
Volker. Er schaute mit zusammengekniffenen Augen unverwandt zurück. »Ciao,
Tiger, und grüßt mir eure Wiener Kollegin.«
Gerhard betrat
kopfschüttelnd wieder Jos Häuschen. »Wenn mir das nicht zu dämlich vorkäme,
dann würde ich sagen, der Reiber hat soeben eine Mutprobe bestanden. Als Mümmi
um seine Beine strich, dachte ich, der kotzt gleich. Er wurde grüngelb. Er ist
stehen geblieben. Und dann hat er die Viecher allen Ernstes verabschiedet und
gesagt, sie sollen die Wienerin grüßen?«
Jo sah zur Seite,
ihre Mundwinkel zuckten. »Ja, er meinte Frau Hrdlicka! Ist doch nett von ihm!«
Und dann wechselte sie ganz schnell das Thema.
Gerhard schüttelte
verwirrt den Kopf. Er überwachte noch, dass Jo sich ins Bett legte. Er
trichterte ihr eine Schmerz- und eine Schlaftablette ein und untersagte ihr ein
Glas Rotwein. »Wenn man Tabletten nimmt, gibt’s keinen Alkohol! Und versuch
nicht, mich zu überlisten, ich werde nämlich hier bleiben und deine Couch
hüten. Dich auch, unvernünftiges Rippstück.«
»Ja doch,
Oberschwester Hildegard.« Viel mehr brachte Jo nicht mehr über die Lippen,
bevor sie in tiefen Schlaf sank.
22.
Als Jo aufwachte,
fühlte sie sich erleichtert. Na gut, das ganz normale Leben hatte sie wieder.
Bald würde Reiber Martl finden. Martl würde den Mord gestehen. Ihr war das
jetzt alles egal. Sie horchte in Richtung Küche und
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