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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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damit mir die sprühenden Funken nicht direkt ins Auge fliegen. Und schon rauscht eine rot-orangene Dusche auf mich nieder. Der Trennschleifer frisst sich ins Metall und schreit förmlich auf, sodass es einem in den Ohren zischt. Irgendetwas riecht hier extrem verbrannt. Ich ahne Schlimmes. Das sind meine Haare, verdammt noch mal!
    Das Metall bricht, und Peter hört endlich auf zu flexen. Ich lasse los und fasse mir sofort in mein ohnehin schütteres Haar. Als ich in meine Hand schaue, sind da bloß noch die bedauernswerten Überreste von völlig versengten Haaren zwischen meinen Fingern. Und das Arschloch lacht auch noch blöd.
    Als ich mich in Peters Hütte im Spiegel betrachte, wird klar, dass ich mir den kompletten vorderen Haaransatz abgebrannt habe. Es bleibt mir nichts übrig, als auch den Rest heute Abend auf einen Millimeter zu rasieren. Der Hump aalt sich auf dem Bett und beobachtet mich mit angelegten Ohren. Ich habe das Gefühl, auch er lacht mich aus.
     
    Nach einem ungenießbaren Hühnerfrikassee in der Kantine fahre ich mit Peter wieder zurück zum Bau. Durch die beschlagenen Scheiben sehen wir von weitem schon ein Rudel Fensterbauer. In der Mitte steht der Architekt und tobt.
    Als wir austeigen und näher treten, sehen wir das Unglück oder besser gesagt: den Fehler. Die Frage ist nur, wer hat ihn begangen?
    Die insgesamt zehn Fenster am Fahrstuhlschacht sind alle um 20  Zentimeter zu klein. Bevor aber jemand auf die Idee kam, die beträchtliche Lücke mal zu hinterfragen, sind die ersten vier Fenster schon eingebaut worden. Der Architekt, Herr Hessel, ist außer sich vor Zorn. In seinen Mundwinkeln hat sich reichlich Spucke gesammelt.
    «Das kann doch nicht wahr sein! Ich habe doch selbst gemessen und die Maße rausgegeben!»
    «Der Loos muss her, dat is sein Scheiß!», ergänzt Peter, jetzt auch mal wieder leicht in Rage.
     
    Am nächsten Morgen kommt Fensterbauer Loos mit einem schwarzen Aktenordner unter dem Arm auf das Gebäude zugestürmt. Peter und Architekt Hessel warten schon.
    Nach dem üblichen Begrüßungsgeplänkel bricht es sofort aus ihm raus: «Dat is nich mein Fehler! Nachdem ich die Maße bekommen hatte, hab ich sie noch einmal selbst vor Ort nachkontrolliert. Aber als ich dann um Bestätigung gebeten hab, hat Herr Zwifka andere Maße geschickt. Und nach denen hab ich dann gebaut. Is ja der Bauleiter, ne.»
    Der Architekt schaut schräg zu Peter rüber: «Wieso haben Sie die Maße geändert, Herr Zwifka?»
    «Mir schienen die Angaben von Herrn Loos zu groß, also hab ich noch mal nachgemessen und ihm die korrekten Maße geschickt. Dat is alles.»
    «Wie haben Sie denn die Maße genommen, Herr Zwifka?», fragt Loos unruhig.
    «Kante Bogenanfang bis unten, wieso?»
    «Ja, super! Dat is doch der Fehler! Wir nehmen das Maß immer Mitte Bogen gerade nach unten. Und natürlich hab ich Ihre Maße auch so angewendet.»
    Jetzt habe ich Angst, dass Peter zusammenbricht. Alle zehn Fenster muss er auf seine Kappe nehmen, das wird teuer. Edelstahlrahmen, Pulverbeschichtung, Dreifachverglasung – ein einziges Fenster kostet etwa 2000  Euro.
    Aber Peter reagiert komplett anders und faucht zurück, wo er herkäme, würden die Maße eben anders genommen.
    «Dat lass ich mir nich in die Schuhe schieben!», stampft er fluchend davon.
    Loos und Hessel schauen ihm verdutzt hinterher und zucken mit den Schultern.
    «Aber Herr Zwifka, Sie können doch jetzt nicht einfach …»
    Doch, er kann. Ich folge ihm durchs Treppenhaus und beobachte, wie er geradewegs auf die Eisenkiste zusteuert, den großen Stemmhammer hervorholt und anfängt wie ein Wahnsinniger Kappendecken zu brechen. Klassische Stressflucht, denke ich mir.
    «Nick, bring ma hier den Schutt weg. Machste immer die Eimer voll und dann vom Gerüst die Rutsche runter!», ruft er mir zu, als er den Hammer mal kurz ausmacht.
    Ob das Sinn macht, wenn unter der Schuttrutsche gar kein Container steht? Egal, in diesem Moment stelle ich besser keine Fragen. Und so kippe ich Schutt und Steine einfach zu einem riesigen Haufen vor das Gebäude.
     
    «Die bescheißen sich doch sowieso alle gegenseitig», erklärt mir mittags der Ami. «Und wenn es dann so ein Schlamassel wie eben gibt, will es keiner gewesen sein! Zum Kotzen!»
    «Ja, so is dat wohl», stimme ich ihm in bestem Richie-Deutsch zu.
    In dem Moment fällt mir auch ein, an wen der Ami mich erinnert: Dennis Hopper in
Der amerikanische Freund
von Wim Wenders.
    «Hab gehört, du bist oft in

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