Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
und sechs. Einer von der Firma steht dann auf ’ner Kiste und liest Jobs für den Tag vor. Man meldet sich dann einfach für dat, wat sich gut anhört. Für heute hieß dat bestimmt: Fenster tragen. Punkt. Aber dat die hier in den Fünften müssen, hat bestimmt keiner gesagt. Sonst hätten diese beiden Figuren sich bestimmt nicht gemeldet.»
«Und is scheiße bezahlt, oder? Hab ich ma gehört», frage ich ihn in bester Bauarbeitersprache.
«Soweit ich weiß, bekommen die nur ein bisschen wat von dem eigentlichen Lohn. Is halt Scheiße!»
Der Regen lässt kein bisschen nach, und die beiden Leiharbeiter können einem jetzt schon leidtun, wie sie da ungläubig stehen und von Loos’ Jungs eingewiesen werden. Dem Dicken steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Der Dünne bläst mit aufgerissenen Augen kurz die Backen auf. «Kein Lift da?», kräht er kleinlaut.
Dabei ist die Frage berechtigt. Warum wurde hier kein Lift angebracht? Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Aber wenn ich es genauer betrachte, hätte es sehr viel Zeit und Mühe gespart, wenn wir beispielsweise die Zementsäcke zumindest bis zum dritten Stock hätten hochfahren können. Sind Leih- und Hilfsarbeiter vielleicht einfach billiger als ein Lift?
Peter und ich stehen immer noch mit verschränkten Armen daneben und beobachten den ersten Versuch.
«Der kriegt die Kurve nich!»
«Ich glaub, du hast recht, Peter. Der kriegt die Kurve nicht.»
In diesem Moment verlassen den Schmächtigen die Kräfte und er knickt weg. Der Dicke steht schon auf der Bohle und versucht sich abzufangen, rutscht aber auf dem seifigen Holz aus. Und so liegen Rahmen und Leiharbeiter im Schlamm.
«Ich hab doch gesagt, der kriegt die Kurve nich!», stellt Peter emotionslos fest, bevor er sich vergewissert, dass die teuren Fensterrahmen bei dem Malheur nicht beschädigt wurden.
«Macht nix, Jungs. Nur Matsch dran. Aber jetzt hoch damit!»
Wortlos raffen sich Dick und Doof auf. Der nächste Versuch ist erfolgreicher, wenngleich man das Gefühl hat, die beiden würden sich in Zeitlupe bewegen.
Insgesamt sind acht Fensterbauer zur Montage am Speicher. Am Anfang sind es Moritz und der Ami, die gemeinsam die unhandlichen Glasscheiben nach oben bringen müssen. Moritz klammert sich krampfhaft an den Griff des Saugnapfes und schwitzt wie verrückt.
«Kein Stift mehr und trotzdem schleppen müssen, ne?», werfe ich ihm auf der Treppe entgegen.
«Ach, hör auf, Mann!»
Ich bin ständig zwischen dem vierten und fünften Stock unterwegs und muss die noch zu weit vorstehenden Steine abflexen oder abmeißeln, damit die Fensterrahmen problemlos eingesetzt werden können.
Immer wieder sehe ich Dick und Doof, wie sie abgekämpft und schnaufend am Treppenabsatz stehen und vor jedem Stockwerk neue Kraft schöpfen müssen. Es dauert nicht lange und Peters Prophezeiung, dass die beiden Leiharbeiter nicht lange durchhalten würden, tritt ein. Als ich vormittags zum Fliegenschmidtklo gehe, höre ich drinnen jemanden lauthals würgen. Als die Tür aufspringt, torkelt der dicke Leiharbeiter kreidebleich aus der Plastikkabine.
«Alles gut bei dir?», frage ich, während mir beißender Kotzgeruch entgegenschlägt.
«Ja, geht schon wieder. Denke, ich muss aufhören für heute. Ich kann nich mehr», schnauft er und schaut mich durch seine beschlagene Brille an. Und just in diesem Moment spült der noch immer peitschende Regen einen Teil der Kotze aus den Locken in sein Gesicht. Es ist ein zutiefst trauriges Bild, und ich empfinde ehrliches Mitleid.
Hans kommt dazu und kommentiert: «Boah, wat hatter denn? Mann, geh nach Hause, ey! Du siehst ja zum Kotzen aus.»
Peter ist gerade dabei, die Eisenrahmen der alten Türen im Erdgeschoss zu entfernen. Was nicht so einfach ist: Die Rahmen sind unten im Boden verankert und müssen geflext und herausgebrochen werden. Er kommandiert mich rüber: «Halt mal! Aber pass auf die Funken auf!»
Dies ist eine dieser typischen Situationen auf dem Bau: Halt mal kurz! Okay, eigentlich kein Problem, aber … ich komme gerade vom Klo, meine Handschuhe liegen oben und Brille und Gehörschutz sind natürlich auch nicht parat. Man kann aber trotzdem nicht nein sagen, weil das den Ablauf jedes Mal verzögern würde. Also hält man dann eben mal kurz.
Ich biege den Rahmen nach oben, damit Peter besser ansetzen kann. Ohne Vorwarnung beginnt dieser Hornochse den Rest des Metallrahmens auf dem Boden abzuflexen. Ich drehe mein Gesicht gerade noch weg,
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