Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
den Staaten?»
«Ich flieg einmal im Jahr nach Amerika zu meiner Tochter, die wohnt da. Hat ’nen Ami geheiratet. Ist affengeil, so Cowboy spielen und Harley fahren. Fürn Ossi wie mich is dat ’n Traum.»
«Wo genau lebt denn deine Tochter?»
«In San Antonio, Texas. Is allet super, nur der Schwiegersohn is ’ne Flasche. Der kann nich saufen, weeßte? Dem gibste zwei große Bier und ’n Schnappes hinterher, da is der hinüber. Und dann sitz ich da allein mit meiner Tochter, die kann nämlich gut einen wegzischen! Liecht inne Familie!», lacht er scheppernd.
Auch heute hat wieder starker Regen eingesetzt, die nächsten zwei Zeitarbeiter geben erschöpft auf, und ich soll «noch mal eben schnell» eine Augenschraube aus der Kappendecke flexen. Irgendwie bin ich nicht bei der Sache. Und dann geht alles blitzschnell.
Mein Ohrenschutz verrutscht, mit einer Hand lasse ich die Flex laufen, während ich mit der anderen die Kopfhörer wieder richte. Als ich wieder ansetze, rutsche ich ab und ramme mir die Flex mit voller Wucht ins mittlere Gelenk des Zeigefingers.
Ich schreie auf und schmeiße den Schleifer reflexartig von mir weg – zum Glück ist sonst niemand im Raum. Der Stecker reißt aus der Kabeltrommel, die Maschine stoppt. Ich ziehe sofort die Handschuhe aus. Kein Blut? Nein, der Schnitt ist einfach zu tief. Es brennt wie Feuer, und ich kann den Finger nicht mehr bewegen …
Der Unfall ist der Grund, warum meine Freundin mir zum ersten Mal in sehr ernstem Ton sagt, ich solle mir doch mal langsam einen anderen Job suchen. Ihr ist die Baustelle zu gefährlich.
«Ich will nicht, dass unsere Kinder mal einen Vater ohne Finger haben, verstehst du?»
Ja, das wäre auch in meinem Sinne.
Am nächsten Tag kommt ein silbergrauer Oldtimer ganz langsam die Schotterstraße entlanggefahren und wirbelt zärtlich den Staub auf. Was für eine Erscheinung! Die Arbeiter heften ihre Blicke an den Wagen und bekommen den Mund nicht mehr zu.
Die Besitzer entsprechen der Eleganz ihres Autos jedoch nicht. Sein grauer, das Gesicht einrahmender Bart wirkt ungepflegt wie die Kurzhaarfrisur gleicher Länge. Das rot-weiß karierte Hemd ist in die Jeans gestopft, dazu trägt er ein fliederfarbenes Samtjackett. Schwarze Lackschuhe krönen sein Outfit.
Sie kommt hinter dem Auto hervor in einem langen, eng anliegenden Kleid, welches ihren Bauch – der seinem in nichts nachsteht – sehr unvorteilhaft betont. Der umgeworfene Mantel macht den Anblick dann etwas erträglicher, auch wenn der ganz in Pink gehalten ist.
«Jetzt hört auf, so doof zu glotzen, Mann! Bringt endlich die Scheißfenster hoch», schnauzt Moritz mit sichtlicher Freude die Leiharbeiter an, die wie angewurzelt gaffen.
«Nummer fünf und sechs sehen brauchbarer aus als die letzten vier. Vielleicht schaffen die ja mal einen ganzen Tag. Was meinst du?», frage ich ihn.
«Wir werden sehen. Bin nur froh, dat ich kein Stift mehr bin. Sonst würden die mich noch mithelfen lassen, weißte.»
«Jetzt kannst du auch mal rumkommandieren, was?»
«Ja, endlich! Da hab ich Jahre drauf gewartet. Und die Seilwinde lass ich auch im Auto. Die müssen erst mal schleppen so wie wir.»
«Wie? Ihr habt die ganze Zeit eine Seilwinde im Auto, aber lasst die armen Kerle laufen?»
«Sorry, wo kann ich finden Herrn Zwifka?», unterbricht mich der Oldtimer-Fahrer, der jetzt Hand in Hand mit seiner Frau vor mit steht. Sein britischer Akzent ist unüberhörbar.
Aus der Gewohnheit heraus antworte ich ihm auf Englisch: «I think he’s upstairs. I will go get him. By the way you have a real beautiful car there.»
«Oh. You speak English!», sagt seine Frau erfreut und zugleich überrascht.
«It’s a Jaguar XK 140 Roadster. Built in 1955 . A very fine piece of engineering», antwortet mir der Mann.
«Beautiful. I’ll be back in a second!», verabschiede ich mich nach oben, um Peter zu holen. Der ist gerade bei der Raubtierfütterung. Er drückt den Hump mit dem Knie weg, um den Trog füllen zu können. Die 1 -Kilo-Dose Fleisch ist kaum geleert, da quetscht sich das Vieh auch schon mit aller Kraft durchs Peters Beine und fängt an zu schlingen.
«Peter, unten ist ein englisches Ehepaar, die wollen mit dir sprechen. Echt schickes Auto fahren die.»
«Die Morgans, oh Mann. Jetzt? Gut, ich geh runter. Du kannst weiter den Schutt wegräumen.»
Als ich gerade beginnen will, die ersten Eimer auf das Gerüst zu tragen, steht Peter schon wieder an der Tür zum Treppenhaus und winkt
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