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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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das Minarett der Koutoubia-Moschee, wie es stolz über die Dächer ragt. Ich habe wieder die verführerischen Gerüche vom Marktplatz Djemaa el Fna in der Nase, und ich fühle den warmen Sand Nordafrikas auf meiner Haut.
    «Schmeckt’s dir?», werde ich aus meiner Fata Morgana gerissen.
    «Ja, echt lecker!»
    «Hier, nimm noch mehr», klatscht Tony mir noch einen Löffel Couscous auf den Teller.
    «Nick, weiß du, warum Peter die Rechnung für die Bodenplatten immer noch nicht bezahlt hat?», fragt Jimmy irgendwo zwischen Paprika und Minzsoße.
    «Die hat er noch nicht bezahlt? Hm, davon weiß ich leider nichts.»
    «Ja, hat immer noch nicht bezahlt.»
    «Tja, das ist komisch. Die Bodenplatten liegen ja wirklich schon lange.»
    «Is Scheiße, weiß du. Wir kriegen kein Lohn von Lui, solange der das Geld von Peter nicht hat. Und wir brauchen Lohn, weiß du. Kannst du Peter mal fragen?»
    «Klar, mach ich. Ich werde mal nachfragen.»

    Am Ende der Woche finde ich mich in 25  Meter Höhe auf dem Dach des Speichers wieder. Die Aussicht auf Berlin und den Alex ist faszinierend, nur ist es immer noch zu heiß. Viel zu heiß. Die Hitze stemmt sich förmlich auf uns. In der Sonne sind es fast 40  Grad, und ich komme mir hier oben vor wie unter einem Brennglas.
    Während Ronny und Eberhart auf der Halbschräge die Zinkbleche montieren, sind Peter und ich auf der sogenannten Laterne, die zweieinhalb Meter höher liegt. Niemand außer Peter weiß, warum die Dachpappe der Laterne nicht gleich zusammen mit dem Hauptdach entfernt wurde. Ich vermute, das hat er bei seiner Planung einfach mal wieder vergessen.
    Jedenfalls stehen wir nun mit Schaufeln bewaffnet dort oben und schlagen die alte Teerpappe runter. Und weil in den letzten 100  Jahren immer wieder neue Schichten aufgebracht worden sind, müssen wir uns mühsam von Lage zu Lage kämpfen. Und als ob das nicht schon ätzend genug wäre, weicht die Teerpappe in der Sonne auf und wird zu einer zähflüssigen, widerlich stinkenden Masse.
    Wir schlagen die Schaufeln wuchtig unter die Pappe und biegen sie dann nach oben. Dabei knalle ich immer wieder mit der Schaufelspitze gegen unzählige Nägel, und der Rückstoß saust mir jedes Mal schmerzhaft durch meine Hand in die Gelenke. Das kann auf Dauer nicht gut sein.
    Mein Blick schweift über das langgezogene Dach, auf dessen Schwarz die Hitze in Dämpfen hochsteigt wie auf einer kochenden Asphaltstraße. Bei diesen Temperaturen wirken die Farben der Welt erschöpft, wie mit einem weißen Tuch aus Licht überdeckt. Übrig bleiben nur noch matte Pastelltöne.
    Nach zwei Stunden tritt meine Befürchtung ein. Ich spüre ein unangenehmes Kribbeln bis zum Ellbogen, und meine Hände sind total verkrampft. Auch der Rest meines Körpers schmerzt. An der Kante der Laterne richte ich mich auf und drücke den Rücken kerzengerade durch. Alles verspannt.
    Direkt unter mir, nur wenige Meter entfernt, faltet Eberhart das Zinkblech mit einer Zange. Ich stütze mich auf dem Holzstiel der Schaufel ab, strecke meinen Kopf über den Rand und frage neugierig:
    «Hey, Eberhart, da platzt ja dauernd der Lack an den Kanten ab, wenn du das faltest. Muss das so?»
    Dabei rinnen mir die Schweißperlen über die Stirn bis zum Kinn und fallen von dort bedächtig, die Welt reflektierend, auf das heiße Blech, wo sie als klitzekleine Dampfwolken wieder aufsteigen.
    «Ach, dat is okay. Dat sieht man nich von unten!»
    Dann entdeckt Eberhart meine Schaufel, und es geht los:
    «Mit so Schüppen mussten wir ma auf so ’ner alten Fabrikhalle in Dresden die Teerpappe runterholen. Da warns sicher 50  Grad, und das Dach war so groß wien Fußballfeld. Da sind einem die Füße im Teer festgeklebt. Ronny war auch dabei, der hat …»
    Ich lasse ihn einfach weiterquasseln und gehe zurück zur Mitte des Daches. Unfassbar, dass der immer noch einen draufsetzen muss. Und wirklich egal auf was. Wenn ich ihm erzählen würde, ich hätte gestern ein UFO gesehen, käme wahrscheinlich wie aus der Pistole geschossen: «Ach wat, dat is doch gaaaar nix. Mich ham die letztes Jahr mal entführt. Und Ronny hamse auch erwischt …»
    Peter wütet neben mir mit der Schaufel. Er schlägt wie wild auf die Nägel ein und biegt große Stücke nach oben, die er dann mit bloßen Händen ruckartig abreißt. Seine fellartige Körperbehaarung schimmert durch sein klatschnasses Unterhemd. Vielleicht sollte ich heimlich ein Foto von diesem Sommer-Yeti machen und es der
Bild
als sensationelle

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