Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Kabeltrommeln zu besorgen. Die alten wurden mehrfach mit einem Bolzenschneider zertrennt, da ist nichts mehr zu retten.
Wir sitzen vor dem Bäcker und warten.
«Da wusste jemand, was er tut. Peter vermutet, dass es die Nachbarn waren», erzähle ich.
«Da hat bestimmt einer die Schnauze so voll von dem Lärm und Dreck, dat er sich hier abreagiert hat», mutmaßt Hans.
«Ach, drauf geschissen. Wir ham gegen die Itaker verloren, dat is viel schlimmer!»
«Hast recht, Richie, peinlich war dat», bestätigt Hans, «da ist der Kater am nächsten Tag irgendwie doppelt so schlimm.»
«Jammert doch nicht rum. Immerhin Halbfinale. Wir ham kein einziges Spiel gewonnen. Und das als Gastgeber. Dat konnte man sich auch nicht schönsaufen», wirft Rainer in die Runde und sieht dabei ernsthaft traurig aus.
«Ach, die Polen. Wen interessiert dat?»
«Der Löw hätte einfach offensiver spielen lassen müssen, das ist seine Schuld.»
«Stimmt, Nick. Wie kann man nur den Reus auf die Bank setzen? Der Löw versaut einem den ganzen Fußball! Ne dumme Schwuchtel is dat.»
Richie ist jetzt richtig in Rage. Der Restalkohol ist allen deutlich anzumerken. Auch Hans kommt in Fahrt:
«Scheiß Weicheier sind dat alle! Immer wenn’s um wat geht, verlieren se. Weil se Schiss haben! Ganz einfach!»
«Vielleicht hat ja ein Nachbar auch einfach nur aus Frust über das Spiel die Kabel durchgeschnitten?», denke ich laut.
«Nee, nee», sagt Rainer und kramt in seiner Tasche, «es gibt immer Probleme, wenn wir anrücken. Manchmal tauchen sofort die Bullen auf. Aber dat is halt unser Job. Die Leute leben in ihren fertigen Häusern und vergessen, dat die auch mal durch dreckige und laute Arbeit gebaut wurden.»
«Ihr armen Sandstrahler», grinst Hans.
«Jaja, macht euch nur lustig. Wie wär’s für alle mit ’ner Runde Unicum gegen den Kater?»
Heute sagt keiner nein.
«Prost!»
«Na zdrowie!»
Als Peter zurückkommt, hat jeder drei Schnäpse intus. Es hilft ein wenig. Zumindest ist das Schwindelgefühl weg.
Bis der Strom wieder fließt und wir anfangen können, ist es bereits Mittag. Wir quälen uns durch den Tag. Kater plus Hitze plus Sandstrahlen ist eine fatale Kombination.
Zum Glück erinnert uns der Schweißgeruch von Rainer und Co. daran, dass Freitag ist und wir es bald geschafft haben.
Wochenende.
Schutzkleidung is nich! Peter & Nick
«Immer stellen diese Idioten die Fensterrahmen an die falsche Wand! Komm, Nick, eben auf die andere Seite tragen, dann können die hier mit dem Putzen anfangen! Guck ma, da hinten in der Ecke liegen noch ’n paar Holzlatten rum. Die legen wir drunter!»
Widerrede zwecklos. Peter und ich tragen die großen Metallrahmen quer durch den Raum.
«Da ist noch eine lose Glasscheibe dazwischen. Willst du dir keine Handschuhe holen?»
«Ach wat, dat geht auch so», winkt Peter ab.
Wenn ich für den Satz «Ach wat, dat geht auch so» doch nur jedes Mal einen Euro bekommen würde … Vorsichtig nehmen wir die Scheibe hoch und kippen sie waagerecht. Damit keiner rückwärtsgehen muss, tragen wir sie seitlich durch den Raum. Alles geht gut. Vorerst. Denn als wir die Glasscheibe absetzen wollen, stolpert Peter ein kleines Stück nach hinten. Er versucht die Balance wiederzufinden, dabei rutscht die Scheibe ab. Wir können sie zwar noch abfangen, aber sie schneidet in Peters Handfläche. Binnen Sekunden läuft das Blut in Strömen das Glas herunter.
« SCHEISSE !», schreit Peter auf.
«Oh verdammt! Alles gut?», starre ich auf das Blut.
«Mach! Mach!»
Loslassen kann er in diesem Moment ja auch nicht. Also reißt er sich zusammen und verdrängt den Schmerz. Wir setzen die Scheibe behutsam vor die Rahmen.
Eine riesige Blutpfütze hat sich auf dem staubigen Boden gebildet.
« SCHEISSE , MANN ! Ich geh ma schnell in die Hütte und verbind dat. Sonst blute ich hier noch aus wie so ’n Schwein!»
«Soll ich dir helfen?»
«Ach wat, dat …»
«… geht auch so. Ist klar.»
Kapitel 10 Berlin ist nicht L. A.
«Schmeiß dein Fahrrad hinten in den Bulli und dann los», treibt Rainer mich zur Eile.
Nachdem ich wochenlang noch Ausreden gefunden habe, gibt es nun kein Zurück mehr. Und ehrlich gesagt bin ich auch neugierig, wie Rainer und die Jungs hausen. Haben die nun eine Dusche oder nicht? Diese Frage stellen sich inzwischen so ziemlich alle auf der Baustelle.
Der alte Ford-Bus ist total überladen. Egal, irgendwie quetsche ich mein Fahrrad zwischen Bierkisten, Schläuche und Werkzeug
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