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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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Die scheinen Kohldampf zu haben, die Jungs.
    Meine Hoffnung erfüllt sich: Das Bier – wir trinken ganz standesgemäß polnisches Tyskie – ist eiskalt und die Falafel schmeckt vortrefflich.
    Während wir uns über das Essen hermachen, flimmert eine Live-Übertragung von den Olympischen Spielen in London über den Bildschirm. Es läuft ein Schwimmfinale der Frauen.
    Rainer steckt sich den letzten Bissen vom Döner in den Mund und sagt dann schmatzend: «Bei den Chinesinnen musste erst in den Pass und dann in die Badehose gucken. Da weißte nie.»
    Dann beugt er sich über den Tisch, stößt beinahe ein Bier um und zieht eine Schale Pommes-Currywurst zu sich rüber.
    «Gib mir auch ma meinen Mantateller rüber!», rülpst Adam.
    «Also der Döner ist sozusagen eure Vorspeise? Nicht schlecht», werfe ich amüsiert in die Runde. Seit der Fernseher läuft, hat niemand mehr etwas gesagt. Ich wische mir den Mund mit einer Serviette ab und suche nach einem Gesprächsthema. Am besten die Arbeit, das ist leicht.
    «Was sandstrahlt man eigentlich alles? Seid ihr immer auf solchen Baustellen wie hier?»
    «Ach, wir machen eigentlich alles. Ihr seid ein kleines Projekt. Wir haben auch schon 8000 -Quadratmeter-Hallen gestrahlt. Und das läuft dann nicht so chaotisch wie bei euch, das sag ich dir.» Dabei wedelt Adam mit einem kleinen blauen Plastikgäbelchen in der Luft. Ein bisschen Mayonnaise tropft auf den Teppich, ohne dass es jemand bemerkt.
    «Was meinst du denn
damit
? Chaotisch? Bei uns?», lächle ich, aber Adam bemerkt die Ironie nicht.
    «Na ja, dass die Fenster vorher drin sind. Oder dass die Innenwände jetzt schon gebaut werden. Dat kostet uns ein paar Tage zusätzlich. An der Stelle vom Cheffe hätt ich das abgelehnt. Zum Schluss gibt das bestimmt wieder Probleme mit dem Sand in den Scharnieren. Wir strahlen sonst immer vorher.»
    «Jaja, Cheffe! Der nimmt jeden Job an, wenn für ihn genug Kohle rausspringt», mault Rainer.
    «Und da scheint ja ’ne Menge für ihn rauszuspringen. Fährt immerhin einen 911 er Cabrio.»
    «In Dresden fährt nur seine Alte mit dem Porsche. Da hat er nichts zu melden. Der hat die Proll-Karre auch nur gekauft, weil die Alte ihn dazu gedrängt hat.»
    Adam wiederholt seine Bemerkung schnell noch auf Polnisch, und erst jetzt scheinen Tomasz und Pawel begriffen zu haben, worüber wir reden. Zumindest deute ich ihr schelmisches Grinsen und das bejahende Kopfnicken so.
    «Bevor wir nach Berlin gekommen sind, haben wir einen alten Benzintank gestrahlt. Das war der beschissenste Job, den ich je gemacht habe.»
    «Benzintank? Was meinst du?»
    «Na, Depots. Riesige Tanks. Da mussten wa rein, die Wände von innen abstrahlen. Zentimeterdick Rost war da drauf und dahinter hat sich das scheiß Benzin gesammelt. Weißte, das Zeug ist in Bächen aus den Wänden geflossen. Gegen solche giftigen Dämpfe nutzt dir auch der dickste Sandstrahlhelm nix.» Rainer öffnet sich gekonnt ein Bier am Kronkorken einer verschlossenen Flasche.
    «Und der Tank ist natürlich geschlossen. Der Benzingeruch zieht kaum ab und das Sandstrahlen war auch ’ne Katastrophe», ergänzt Adam.
    «Klingt furchtbar. Mir reichen die Umstände auf dem Speicher schon.»
    Langsam treibt das viele Bier. Inzwischen steht das vierte große Tyskie vor meiner Nase.
    «Wo finde ich denn eure Toilette, Jungs?»
    «Der Schacht ist erste Tür links an der Eingangstür.»
    Es knirscht unter meinen Füßen. Erst jetzt fällt mir der Sand auf, der in der ganzen Wohnung verteilt liegt.
    Ich habe Hans’ Worte in den Ohren: «Und guck ma ins Badezimmer, ob die wirklich keine Dusche haben!»
    Die alte Holztür knarrt beim Öffnen, und die matte Glasscheibe auf Kopfhöhe wackelt in ihren Leisten. Zwei vermutlich ehemals weiße Läufer auf dem Boden sind grauschwarz getreten. Die weißen Overalls der Jungs liegen zusammengedrückt hinter der Tür.
    Links steht eine alte Badewanne, in deren Mitte braune Sandspuren bis zum Siphon eingetrocknet sind. Ein mit dämlichen bunten Fischen bedruckter Duschvorhang ist zur Seite gerafft und gibt die Sicht auf die nur bis Brusthöhe geflieste Wand frei. Die Tapete darüber blättert ab und ist übersät mit schwarzen Schimmelflecken.
    Mit gerümpfter Nase, die Mundwinkel tief nach unten gezogen, greife ich mit weit gestrecktem Arm vorsichtig nach der Klobrille und kippe sie mit Zeigefinger und Daumen langsam nach oben.
    Wer kennt nicht das Gefühl, wenn man schon weiß, dass nichts Gutes kommt. Und dann

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