Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Bierbuddel.
Der Hump sitzt am geöffneten Fenster und jault, als er mich anrollen sieht. Das geht nun schon seit Wochen so. Er tut mir leid, wie er da im zweiten Stock sein stumpfsinniges Dasein fristet. Deshalb habe ich zuletzt immer mal ein bisschen mit ihm gespielt, wenn es die Zeit zuließ. Und das hat der Hump sich gemerkt.
Hans und Richie sind oben auf dem Gerüst und winken mich zu sich hoch.
«Jetz erzähl, Dusche oder nich?», platzt es sofort aus Richie heraus.
Hans mustert erst mal meine Augenringe.
«Boah, siehst du scheiße aus. Ging lang oder wat?»
«Also duschen können die da. Aber ob sie das auch tun? Gestern jedenfalls nicht, und keiner hat die Drecksmontur abgelegt. Und so sieht die Bude dann auch aus: Als wenn die da gesandstrahlt hätten!»
«Wat für Siffköppe!», schüttelt Richie den Kopf.
«Ich vermute ebenfalls, dass die nur eine einzige Garnitur Kleidung für die ganze Woche haben. Ich habe weder Taschen noch Koffer gesehen und auch keine herumliegenden Klamotten.»
Hans verzieht das Gesicht: «Die ziehen immer wieder die gleiche Unterhose an? Boah, diese Drecksschweine! Mann, Mann, Mann.»
«So is dat wohl!»
«Nein, das weiß ich nicht. Ich sag ja nur, dass ich keine Kleidung gesehen habe. Aber das heißt ja nicht …»
«Ist doch egal, auf jeden Fall stinken die wie die Sau», werde ich mitten im Satz von Hans unterbrochen.
«Ich fühl mich zum Kotzen, echt zu viel von diesem Unicum.»
«Dann gehste heute besser nich aufs Klo», rät Richie.
«Wieso? Sag nicht, das ist immer noch nicht geleert worden?»
«Wenn Peter sich nicht bald darum kümmert, dann stecke ich ihn mit dem Kopf zuerst da rein.» Und so wie Hans guckt, meint er das ernst.
Zwei Frauen in Sportkleidung joggen am Wasser entlang und kommen langsam näher.
Die Strecke ist bei Joggern sehr beliebt, vor allem im Sommer hecheln die Menschen hier von morgens bis abends über die Wege. Da der Speicher direkt am Wasser liegt, müssen die Läufer immer einen Bogen darum machen. Direkt am Bauzaun vorbei.
«Siehste die aufgetakelten Joggerinnen da? Wetten, die werden langsamer, wenn se bei uns vorbeikommen? Die warten nur da drauf, dass wir denen wat hinterherbrüllen. Weil wir ja Bauarbeiter sind, verstehste?»
Hans hat recht. Tatsächlich werden die beiden langsamer und schauen ganz kurz nach oben.
«Und wennde dann nichts sachst, sind se beleidigt, weil se keine Bestätigung bekommen. Als wenn jeder Bauarbeiter der letzte Prolet wär. So ’n Schwachsinn», beendet Hans seinen Satz, und nur eine Sekunde später reckt Rainer seinen Kopf mit den schmierigen Dreadlocks aus dem Fenster des Ford: «Hey, ihr süßen Schnecken!
Ihr
habt ja Glocken! Da wär ich gern mal der Glöckner!» Und dann pfeift er noch auf seinem gekrümmten Zeigefinger.
Ich schaue Hans an, und wir beide müssen lachen.
«Tja, Hans, ich sage dazu mal gar nichts.»
In seinem grünen Gärtneranzug nähert sich der Hausmeister des Wohnkomplexes von gegenüber. Er kommt über den Platz auf den Speicher zu, neben ihm laufen eine Frau und zwei Männer mit Notizblöcken in der Hand.
Ich weiß, dass Peter und der Hausmeister sich nicht ausstehen können. Immer wieder gibt es hitzige Diskussionen, vor allem um falsch geparkte Autos, Lärm, Müll und Staub.
Peter nennt den Hausmeister «den Gartenzwerg», und er glaubt, dass die Baustelle für den Typ die passende Gelegenheit ist, um sich vor den Mietern aufzuspielen und seine Minderwertigkeitskomplexe zu kaschieren.
In jedem Fall: Der Hausmeister in Gesellschaft von Leuten mit Notizblöcken bedeutet nichts Gutes.
«Nick, komm ma mit runter. Dat is besser, wenn ich ’nen Zeugen hab. Und macht sowieso mehr Eindruck zu zweit», sagt Peter, der hinter mir ein Fenster zum Gerüst geöffnet hat.
«Guten Morgen, Herr Zwifka», heuchelt der Hausmeister freundlich.
«Heyn, von der Bezirkswache. Das ist mein Kollege Marowski.»
Die Frau in der pinken Blümchen-Bluse stellt sich nicht vor.
Wortlos gibt Peter den Leuten die Hand, und als die Frau an der Reihe ist, sagt sie: «Wir kennen uns ja, ne?»
«Und wer sind Sie?», blafft Heyn mich an.
«Assistent der Bauleitung», antwortet Peter für mich.
«Grünke, Guten Morgen.»
Na super. Ich habe bestimmt noch eine heftige Alkoholfahne. Das macht sicher einen hervorragenden Eindruck. Und meine Kopfschmerzen sind auch nicht besser geworden.
Polizist Heyn ist schmal gebaut und hat meine Körpergröße. Ein schmaler Oberlippenbart schmückt sein
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