Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Schwarzenegger und Danny DeVito in der Komödie
Twins
! Nur dass Richie eine blonde Version von DeVito und nicht ganz so fett ist.
«Hey, Nick, komm ma her. Er war auch Maurer!»
Richie zeigt mit dem Daumen auf den neben Hans winzig und zerbrechlich wirkenden Mann. Der spricht ruhig, aber kraftvoll.
«Joah, dat is lange, lange her. Ich hab hier schon als Kind gespielt, da gab’s die ganzen Gebäude noch gar nicht. Nur den Speicher.»
So richtig blüht der Greis auf, als Hans ihm das Stichwort
Gute alte Zeit
liefert.
«Ja, alles von Hand! Maschinen gab’s kaum. Kennt ihr noch die Bezeichnung
Schwestern
?»
Wir schütteln den Kopf.
«So haben wir unsere Zuarbeiter genannt. Einer trug ’ne Kiepe aus Holz auf dem Rücken, da kam von oben Zement rein. Wie ’ne Art Trichter. Unten gab es ein Brett zum Wegziehen. Die mussten am Tag Hunderte Mal rauf und runter.»
«Hör dir dat gut an, Richie. Dat warn noch echte Malocher», grinst Hans.
«Die andere Schwester», fährt der Alte fort, «bekam so ein L-förmiges Holzbrett aufgeschnallt, dat wurde von dem Kollegen mit Steinen beladen. Ich sach euch, die konnten schleppen wie die Ochsen!»
«So war dat wohl!»
«Aber nu ma weiterhin frohes Schaffen. Muss los, meine Frau hat lecker Buletten gemacht.»
Kommse rein, Kommse ran! Hier werdense genauso bedient wie nebenan!
Das ist mit blauem Edding auf die Fensterscheibe geschrieben. Dahinter sitzt ein weißer Plüschbär im Trikot der Berliner Eisbären, um die Pfote hat man ihm den Vereinswimpel gehängt. Richie hält mir die mächtige Holztür auf.
«So, Nick, herzlich willkommen im Amboss!»
Die Männer an der Theke drehen sich um.
«Mensch, Richie!»
«Macht ma Platz am Brett für Richie!»
«Na, haste Verstärkung mitgebracht?»
Irgendetwas kratzt mich im Hals, und ich muss mehrmals laut husten, während wir uns an die Theke setzen. Jetzt hat uns auch der schmächtige Barkeeper bemerkt und kommt eilig zu uns rüber. Der Typ ist höchstens 1 , 65 Meter groß, hat eine spiegelblanke Glatze und trägt einen Strichbart von der Unterlippe hinunter bis zum Kinn. Ich huste noch einmal.
«Na, haste ’n Fotzenhaar verschluckt?»
Ich bin sprachlos.
«Hey, Richie, wieso gucktn dein Kumpel wie ’n Auto?»
«Ach, wir hatten nur ’n anstrengenden Tach. Nick, dat is Werner. Der macht nur Spaß.»
Jetzt streckt mir der fiese Zwerg sein kleines Schmierhändchen über die Theke.
«Gestatten, Werner. Ich bin der Deo-Roller für sonntagmorgens.» Dabei nimmt er einen imaginären Hut vom Kopf.
Als Richie mich vorhin fragte, ob ich spontan Lust auf ein Feierabend-Bier in seiner Stammkneipe hätte, war ich auf einiges gefasst. Und das hier geht ja gut los.
Wir hocken dort, wo der Holztresen eine Kurve zur Wand macht. Am Ende der Theke lehnt ein riesiger Stoff-Elch mit Hertha- BSC -Mütze, der so vergilbt ist, als wenn er den Zigarettendunst der vergangenen 50 Jahre in sich aufgesogen hätte. Rechts neben dem Elch hängt ein selbstgezimmerter Einbauschrank, in dem geschmackloses Porzellan aus den Siebzigern steht. Aus dem Radio plärrt irgendeine Schlager-Schnulze, und zwei Hocker weiter hat ein Typ gerade wie ein Elefant gerülpst. Ich könnte jetzt ein Bier vertragen.
«Zum Wohle!», knallt uns der Deo-Roller jeweils ein großes Pils und einen Kümmerling hin. Auch er hat ein Schnapsfläschchen in der Hand und klopft damit hektisch auf die Theke. Der Rest der Barfliegen ist ebenfalls versorgt, und für ein paar Sekunden wird rhythmisch auf das Holz gehämmert. Ich schließe mich an.
« PROST !»
« PROST !»
« PROST !»
Wir hauen uns den Kurzen rein, und ich stelle mein Fläschchen zurück auf die Theke.
Plötzlich ranzt der Deo-Roller mich an: «Ey, bist du bekloppt? Du kannst dat doch nicht
hinstellen
!»
In aller Ruhe nimmt Richie meinen Kümmerling, schraubt den Deckel wieder drauf und legt die Flasche hin, mit dem Verschluss Richtung Deo-Roller.
«So muss dat.»
«Ist ja gut. Kommt nicht wieder vor», und als der Deo-Roller weg ist, «hat das irgendeinen Sinn, Richie?»
«Nee, überhaupt nicht. Is halt Tradition.»
Dann setzt er sein Bier an und leert mit einem Schluck den halben Humpen.
«Aaaaaah, is dat herrlich nach so ’nem Tach! Dat wird übrigens in Köpenick gebraut. Echt süffig, wa?»
«Ja, wirklich gut.»
Und das ist nicht gelogen. Das Bier schmeckt tatsächlich und erlöst mich von dem nervigen Kratzen in der Kehle. Ich muss noch mal an den Fotzenhaar-Spruch von dem Deo-Roller
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