Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Suche gerne ein wenig aus, denn im Speicher ist es immer angenehm kühl, egal, wie heiß die Sonne brennt. Im vierten Stock treffe ich auf Peter.
«Du, da unten aufm Platz», sagt er zu mir, «läuft so ’ne aufgetakelte Alte rum. Dat is ’ne Maklerin. Die nervt mich schon seit Monaten. Die macht sich wichtig, obwohl se noch nich einen ernsthaften Interessenten angeschleppt hat. Geh ma hin und guck, wat die will. Wenn die nach mir fragt: Ich bin nich da.»
Ich sehe die Frau und muss in der ersten Sekunde an Annette Bening in
American Beauty
denken. Diese aufgeregt umherwuselnde Blondine hier sieht genau so aus wie die karrieregeile Immobilienmaklerin aus dem Film! Sie hat ihre gelockten Haare so nach oben toupiert, dass es ein bisschen wie eine füllige Perücke wirkt. Der graue Businessanzug sitzt perfekt.
«Schade, dass Herr Zwifka nicht im Haus ist. Ich wollte», dabei fuchtelt sie mir wild mit ihrem iPad vor der Nase rum, «eigentlich nur fragen, ob ich noch ein paar Fotos schießen darf.»
«Das ist sicherlich kein Pro…»
«Ja, weil, wissen Sie, ich habe da ein Architektenbüro gefunden, mit denen will ich so einen virtuellen Rundgang erstellen. Dann können die Kunden sich besser vorstellen, wie das hier mal aussehen könnte. Das ist ja manchmal etwas schwierig, nicht wahr?»
«Das glaube ich, dass da manchen Leuten das Vorstellungsvermög…»
«Eben! Und deshalb wäre das supi, wenn ich schnell ein paar Bilder … wissen Sie? Aber nur, wenn Sie Zeit haben selbstverständlich.»
«Kein Problem. Am besten fangen wir oben an. Haben Sie denn neue Interessenten?»
«Jaja, sicher, sicher. Aber die sind beruflich weltweit eingebunden, da ist das ganz schwer, mal einen Termin zu machen. Sie können Herrn Zwifka ausrichten, dass ich mich nächste Woche diesbezüglich melde.»
Ihr iPad schwirrt hektisch umher. Hier ein Foto horizontal, dann da wieder aus der Froschperspektive. Dann noch was notieren, dann schnell einen Anruf machen. Durch ihr Rumgezappel werde ich selbst ganz unruhig.
«Das ist aber schön hier. Ganz wunderbar dieser Raum. Wie viele Quadratmeter werden hier berechnet?»
«Am besten wenden Sie sich noch mal per E-Mail an Peter, äh, Herrn Zwifka. Ich kenne die Zahlen nicht genau.»
«Und so ungefähr?»
«Etwa 400 Quadratmeter.»
Ich frage mich, was sie mit dieser Schätzung anfangen will. Um den Preis errechnen zu können, braucht sie doch sicher die genauen Zahlen. Fahrig hackt sie wieder auf ihrem iPad rum.
Ob sie wohl wie die Maklerin im Film zum Abreagieren und Entspannen auf einen Schießstand geht? Oder vielleicht tobt sie sich ja beim Paintball aus? Den Verein gibt’s gleich um die Ecke.
20 Minuten lang laufe ich mit ihr über die Baustelle. Je mehr sie quasselt, desto deutlicher wird mir, dass sie schon sehr lange nichts mehr verkauft hat. Am Ende tut sie mir fast leid. Gerade habe ich sie vor dem Gebäude verabschiedet, da mault Hans mich von der Seite an: «Jetzt musst ich die Scheiß Baustützen selbst holen! Wat war denn los?»
«Ich musste Peter vertreten.»
«Wieso? Der is doch oben. Drückt sich wieder, wa?»
Richie kommt dazu und blickt der Maklerin gedankenverloren hinterher.
«Boah, die kann man auch mal schön vorn Posten kloppen!»
«Bitte? Was? Vorn Posten kloppen?»
«Ja, Mann. Durchnudeln. Die Alte pudern. FICKEN ! Hastes jetzt?»
Schutzkleidung is nich! Rainer & Adam
Rainer und ich befreien uns von den Sandstrahl-Helmen. Der Sand fällt langsam zu Boden, und der Nebel lichtet sich. Adam kommt auf uns zu.
«Rainer, du sollst sofort runter zum Cheffe! Ich mach solange weiter!»
«Boah, wat will der Alte denn schon wieder?»
Als wir wieder loslegen wollen, bemerkt Adam, dass ihm etwas Wichtiges fehlt.
«Scheiße, jetzt hat der die Handschuhe mitgenommen. Na ja, geht auch ohne. Ist ja nur für ein paar Minuten.»
«Bist du sicher?», frage ich Adam noch, bevor ich den Helm wieder aufsetze und mit dem Strahlen weitermache.
«Jaja.»
Keine zwei Minuten sind vergangen. Der Sand hat den Raum noch nicht gänzlich eingehüllt, sodass ich noch erkenne, wie jemand hereinkommt, auf Adam zusteuert und ihm von hinten auf die Schulter klopft. Als Nächstes saust Adams Silhouette in einem Bogen zur Erde, und der andere Schatten springt flink weg.
Sofort lasse ich die Totmannschaltung los, reiße mir den Helm vom Kopf, obwohl der Sand noch in der Luft rumwirbelt, und renne rüber. Jetzt höre ich Adam schreien und fluchen. Der andere Schatten war
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