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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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es vor der Tür immer noch nach Pisse. Peter hat sicherlich nicht immer in den Eimer getroffen.

    Der Westgiebel, die Wetterseite, ist der am meisten beschädigte Teil des Gebäudes. Als die Fabrikanlage noch in Betrieb war, gab es hier einige Anbauten, deren Abriss schwere Schäden hinterlassen hat. Und das Gesimsband war wohl irgendwann so porös, dass sehr viel Regenwasser in die Wand gesickert ist. Deswegen hat man später Beton daraufgekippt und die Wand von unten bis zum ersten Stock verputzt.
    Jetzt sollen Richie, Hans und ich den Westgiebel wieder in den Originalzustand bringen.
    Die Ecke zur Wasserseite ist schnell freigestemmt, und Richie beginnt dort neu zu mauern. Hans steht mit seiner riesigen Makita an der Südseite und hämmert den Putz von der Wand. Natürlich bekomme ich die unangenehmste Arbeitsposition. «Du bis noch jung!», und damit war es entschieden.
    Ich knie also ein paar Meter entfernt von Hans auf dem Gerüst und muss unter mir die kaputten Steine vorsichtig aus dem Gesimsband stemmen. Dabei muss ich mich so weit vorbeugen, dass ich mit dem Kopf fast auf den Brettern hänge, und schon nach einer Stunde tut mir der Rücken höllisch weh. Seit Richies bizarrem Kraftschrei muss ich die ganze Zeit an Thailand denken. Da könnte man sich in der Mittagspause mal schnell den Schmerz wegmassieren lassen. Eine himmlische Vorstellung.
    Die Stemmhämmer rattern gegen die Steine und vermischen sich mit dem Dröhnen der Steinsäge zu einem aggressiven Klangteppich. Unfassbar, wie Hans und Richie das ohne Gehörschutz ertragen. Aber was diese Dinge angeht, wundere ich mich schon lange nicht mehr.
    Peter kommt auf uns zu und wedelt mit einem Bauplan. Nach und nach gehen die Maschinen aus.
    «Hans, komm ma, es gibt ’ne neue Tür.»
    «Wie? Wir solln dat doch hochmauern, oder nicht? Ich hab Steine für die ganze Mauer bestellt!»
    «Ja, ich weiß. Ist aber Kundenwunsch, und die zahlen dat ja auch extra. Is nur wieder mehr Arbeit. Hier», Peter rollt den Plan auf der Steinpalette aus, «kommt die Öffnung hin. Wat meinste, zwei oder drei Stahlträger rein?»
    «Zwei reichen. Auf jeden Fall. Dat hält!»
    «Okay, dann bestell ich dat so. Ich lass euch den Plan hier, und ihr macht erst den Durchbruch. Nick, du machst da oben weiter, und danach hämmerste den Putz ab. Da, wo Hans angefangen hat.»
    Hektisch zieht Peter wieder ab, stoppt plötzlich und dreht sich noch mal um: «Und Hans, versuch ’n paar von den Steinen ganz zu lassen. Die können wir innen für Reparaturen gebrauchen.»
    Peter ist gerade um die Ecke gebogen, da kommt Hans zu mir: «Nick, komm da runter und hilf mir lieber mit dem Durchbruch.»
    Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, endlich nicht mehr knien. Sofort klettere ich die Gerüstleiter nach unten. Hans kratzt sich am Hinterkopf.
    «Die scheiß Mauer ist hier unten über ’nen Meter breit, dat dauert ewig. Wir fangen von beiden Seiten an. Und immer Zähne stehen lassen, damit wir nachher einen Anschluss haben.»
    Mein Gesicht ist ein einziges Fragezeichen.
    «Hier, den Stein lässte stehen. Den wieder raus. Verzahnung eben. Is klar?»
    «Okay. Und die Steine möglichst ganz lassen, ja?»
    «Ach, stemm dat durch! Falls zufällig einer heile bleibt, leg ihn zur Seite.»
    Die Steine zerbersten unter dem Druck des Hammers und immer wieder fliegen mir Splitter ins Gesicht. Ein größeres Stück schlägt mir so heftig auf die Lippe, dass ich sofort Blut schmecke.
    Ohne Schutzbrille wäre ich in großer Sorge um meine Augen. Wie man diese Arbeit ohne Gehörschutz und Brille ausführen kann, ist mir ein Rätsel. Kein Problem für Hans, der wie ein Berserker die Mauer traktiert. Er braucht offensichtlich nur seine Makita!
    «Nick, geh ma hoch zu Peter. Der soll doch drei Stürze für die Öffnung bestellen. Ich hab bei den alten Türen geguckt, die ham alle drei. Is besser. Sonst hält dat vielleicht nich!»
    Meinte er nicht noch vor zehn Minuten, zwei seien
auf jeden Fall
ausreichend?
    Als ich zurückkomme, sind Richie und Hans mit einem grauhaarigen Herrn in ein Gespräch vertieft. Wir alle kennen den freundlichen alten Mann, der hier bei Wind und Wetter seine Runden mit dem Fahrrad dreht. Seit ich auf der Baustelle arbeite, sehe ich ihn fast jeden Tag.
    Richie und Hans stehen dicht nebeneinander, jeweils die Beine gespreizt und die Arme verschränkt. Der Alte spricht, und beide nicken synchron. Man könnte sie für ungleiche Zwillinge halten. Ja, genau – das sind Arnold

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