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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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Rainer, der schon bei ihm ist.
    « KURVA ! AAAAH ! KURVA !», brüllt Adam.
    «Was ist los? Was ist passiert?», frage ich atemlos.
    «Ich bin nur zurückgekommen, um ihm meine Handschuhe zu bringen, da erschreckt sich der Idiot so sehr, dass er sich in die Hand strahlt», erklärt Rainer, während er die Wunde inspiziert.
    «Wir müssen runter zum Wasserschlauch, du musst dat auswaschen!» Dann dreht er sich zu mir und sagt leise: «Scheiße, is ganz schön tief.»
    Die Wunde sieht fürchterlich aus: Ein klaffender Strich geht quer über die Hand, das Blut quillt in Stürzen hervor. Sie waschen die Wunde aus und verbinden sie schon fast verdächtig professionell. Scheint für die beiden nicht der erste Unfall dieser Art zu sein.
    Dann geht es eilig ins nächste Krankenhaus. Erst kurz vor Feierabend kommen sie wieder, und Adam erzählt den Unfall aus seiner Perspektive.
    «Als Rainer mir von hinten wie ein Bekloppter auf die Schulter haut, hab ich mich so erschrocken, dass ich nach hinten gesprungen bin. Dabei hab ich mich irgendwie in dem Schlauch verheddert. Mit der freien Hand hab ich noch versucht, mich an dem Träger festzuhalten, und dabei ist es passiert. Na ja, hätte auch schlimmer enden können. Hätte Rainer auch ’n Auge rausstrahlen können, wa? Also: Na zdrowie!»
    Ohne Schutzkleidung betrete ich seitdem ungern einen Raum, in dem gesandstrahlt wird.

Kapitel  12 Blut im Porsche
    BUMCHA , BUMCHA , DUFFCHA , DUFFCHA , BUMCHA !
    Mein Körper wird beinahe aus dem Bett katapultiert, so heftig schrecke ich aus dem Schlaf hoch. 4 : 53  Uhr. Das kann doch nicht wahr sein! Irgendein Arschloch spielt da draußen Schlagzeug!
    Mit kaum geöffneten Augen stolpere ich auf den Balkon. Direkt gegenüber, zwischen Spree und Schlesischer Straße, liegt eine Brachfläche, an den Brandmauern dahinter prangen die zwei wohl berühmtesten Graffiti Berlins: Ein Businessmann trägt Handschellen aus goldenen Armbanduhren, und zwei Gestalten ziehen sich gegenseitig die Masken vom Kopf. Die Künstler Blu und JR haben die beiden riesigen Motive im Jahr 2007 erschaffen. Nur die aufgedruckten Augen der Maskenfiguren sind inzwischen der Witterung zum Opfer gefallen und wurden durch aufgemalte Brillen ersetzt.
    Auf dem Stück Wiese vor den Graffiti erkenne ich jetzt eine Horde Menschen, die in der Morgendämmerung singen, Gitarre spielen und – wie dreist! – Bassdrum und Snare aufgestellt haben.
    Es ist Mittwochmorgen. Die vergangenen Wochen waren schon schwer erträglich mit dieser Mischung aus Alt-Hippies, Langzeitarbeitslosen und internationalen Partytouristen. Das Wetter war schön, warum also die Saufgelage nicht nach draußen verlagern? So entstand diesen Sommer dort so etwas wie ein Zeltlager für gescheiterte Existenzen. Natürlich untermalt von scheinheiliger Kapitalismuskritik.
    Am Anfang waren es höchstens eine Handvoll Zelte direkt am Spreeufer, und niemand störte sich daran. Doch es wurden mehr und mehr. Irgendwann verlor ihr selbsternannter Häuptling, ein barfüßiger Uralt- 68 er in schwarzer Schlaghose und Kunstfelljacke mit Leopardenmuster, den Einfluss auf seine Jünger, und es brach Anarchie aus.
    Wann immer ich aus dem Fenster blickte, sah ich auf einen Hintern, der gerade abgewischt wurde. Die Büsche vor dem Zaun zur Straße wurden zur großen Freiluft-Toilette.
    Dann zog eine Gruppe Punks aus Spanien mit ihren deutschen Groupies in das Camp und sorgte dafür, dass jeden Tag ganze Einkaufswagen voller Pfandflaschen über das Kopfsteinpflaster klimperten. Leute auf der Straße wurden frech angeschnorrt, und das Gegröle in der Nacht nahm gar kein Ende mehr.
    Als ich einmal abends vom Bau komme und mit einem Sixpack Bier unter dem Arm die Haustür aufschließe, kommt einer der Punks auf mich zu: «Ey, eins gibst du mir doch ab, wa?»
    Als ich ihn höflich darum bitte, mich nicht zu nerven, und ihn ermuntere, sich lieber einen Job zu suchen, brüllt er mich an: «Ich hab genug gearbeitet in meinem Leben, du Wichser!» Aber sicher doch, denke ich mir. Das Milchgesicht ist vielleicht 25 .
    Am Anfang fand ich es noch lustig zu beobachten, wie der Guru jungen Touristinnen den großen Abenteuerspielplatz zeigte. Nicht selten endete die Tour in seinem Zelt. Oder wie die Hippies eine Open-Air-Quizshow auf die Beine stellten. Oder die Kunststücke des großen Pfeil-und-Bogen-Meisters, der bei 30  Grad im Schatten einen langen schwarzen Ledermantel auf freiem Oberkörper trug. Was waren die Teenager begeistert von

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