Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
seinen Kunststücken! Bis er plötzlich wutentbrannt einen Jüngling mit gespanntem Pfeil aus dem Lager jagte.
Der Spaß war für mich vorbei, als die Generatoren angeschleppt wurden. Jetzt entstand da unten eine improvisierte Elektro-Disco, und das Partyvolk feierte sich Nacht für Nacht in Ekstase. Inzwischen kann ich seit Wochen nur noch bei geschlossenem Fenster schlafen. Und selbst dann lässt der Bass meine Matratze leicht vibrieren. Jetzt das Schlagzeug nachts um fünf. Das ist die Krönung.
BUMCHA , BUMCHA , DUFFCHA , DUFFCHA , BUMCHA !
Okay, jetzt bin ich wach, dann kann ich auch gleich frühstücken. Der Duft der Espressobohnen ist das erste Erfreuliche an diesem jungen Morgen. Mein Blick schweift aus dem Fenster in Richtung Halbmond, der sich noch ganz sanft vom heller werdenden Himmel abhebt.
. Natürlich habe ich diesen Spruch an der Hauswand über dem Club Lido schon zuvor wahrgenommen, aber zum ersten Mal fühle ich mich davon angesprochen. Die hellblaue Lido-Leuchtschrift ist eingerahmt von zwei Herzen der Astra-Brauerei, die zusätzlich rötliches Licht in die Luft hauchen. Die letzten Partyzombies treten aus der Tür in den glimmernden Lichtkegel und schleichen aneinandergeklammert in Richtung BUMCHA BUMCHA DUFFCHA …
Zum Glück verlasse ich diese Wohnung in zwei Tagen und ziehe auf die Ringbahnstraße in Neukölln. Wieder als Zwischenmieter, wieder für zwei Monate. Aber diesmal weit entfernt von irgendwelchen Partytouristen.
Die Lackierarbeiten haben begonnen. Volker, Rainer und Co. haben ihre Sandstrahlausrüstung gegen Spritzdüsen und Atemmasken getauscht. Adams Verletzung ist schwerer als gedacht, seine Hand ist immer noch nicht einsatzfähig. Für ihn übernimmt Rolf, der älteste Mitarbeiter in Volkers Firma.
Es gibt drei Arbeitsschritte, erklärt Rainer mir. Zuerst wird der Korrosionsschutz aufgetragen, damit der frisch gestrahlte Stahl nicht sofort wieder oxidiert. Dann kommt die Brandschutzfarbe. Um zuverlässig ihren Zweck zu erfüllen, müssen beide Schichten eine bestimmte Dicke haben, die in der Maßeinheit µm angegeben wird. Am Ende kommt der Lack, dessen Farbe jeder Käufer vorher frei wählen kann.
Bevor die Lackierer aber ans Werk gehen können, steht noch ein echter Knochenjob an. Bis in die vierte Etage müssen Mauern, Kappendecken und Metallträger vor dem Farbnebel geschützt werden. Das heißt: Tagelang mit Folie und Klebeband über Kopf arbeiten. Ich bin erleichtert, als Peter verkündet, dass er für diese undankbare Aufgabe ein paar Zeitarbeiter engagiert hat. Das ist eine Woche her. Jetzt stehen wir vor dem kläglichen Ergebnis ihrer Arbeit.
«Ich mach dat nich mehr!»
«Was machst du nicht mehr, Peter?»
Keine Reaktion. Der hört auch immer schlechter.
« PETER ! WAS MACHST DU NICHT MEHR ?»
«Leiharbeiter holen. Jetz guck dir den Scheiß hier an. Is am Wochenende überall wieder runtergekommen.»
Wir stehen im dritten Stock. Ganze Bahnen haben sich von den Kappendecken abgelöst. Die Folie klebt nur noch an den Zipfeln und hängt komplett bis zum Boden herunter. Auch die Kanten sind alles andere als sauber abgeklebt. Hier haben sie wohl endgültig die Konzentration und Lust verloren. Ich ahne nichts Gutes.
«Wenn Volker hier anfängt zu spritzen, hab ich die ganze Farbe auf den Steinen! Hier, überall Lücken! So ’ne Scheiße! Nick, reiß hier alles runter, und dann klebst du dat neu.»
Oh nein! Jetzt erwischt es mich doch. Als ob Peter meine Gedanken gelesen hätte, sagt er noch: «Keine Panik, kriegst Verstärkung. Um acht kommt noch ’n Freund von Katrin. Mal sehn, ob der auch so viel taucht wie du!»
Wow, war das gerade so was wie Anerkennung?
Ein leicht beißender, süßlicher Lackgeruch liegt in der Luft und breitet sich langsam im gesamten Gebäude aus. Volker und seine Jungs haben im Erdgeschoss losgelegt.
Der Großteil der Folie liegt bereits mit dem Klebeband zusammengeknüllt auf einem Haufen. Ich will gerade die Mülltüten holen, als ich plötzlich durchs Fenster ein aurora-rotes Rennrad über den Vorplatz schießen sehe. Der Fahrer zieht die Hinterbremse, reißt das Rad zur Seite und rutscht mit einer Vollbremsung gekonnt an den Bauzaun. Er schließt ab und hetzt zum Haupteingang. Es ist 8 : 15 Uhr. Der Neue ist da.
«Nicholas? Hi, ich bin Matze. Peter sagt, ich soll dir helfen, und du erklärst mir alles.»
Ein kräftiger Mann in meinem Alter steht vor mir. Der schwarzgrau gescheckte Bart ist fusselig, das Gesicht
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