Schutzlos: Thriller (German Edition)
Ich ging nachsehen und entdeckte eine Familie. Es waren offensichtlich illegale Einwanderer, die
irgendwann im Lauf des Tages über den Rio Grande gekommen waren. Ich dachte, vielleicht war jemand verletzt, deshalb ging ich zu ihnen.«
»Sie sprechen Spanisch?«
»Das ist hilfreich in Texas.« Und bei meiner gegenwärtigen Art von Arbeit.
»Kann ich mir denken.«
»Ich trug Wettkampfkleidung – so eine Art Laufanzug –, deshalb hielten sie mich nicht für einen Polizisten. Ich fragte, was los sei. Sie sagten, ein paar Männer seien hinter ihnen her. Sie hatten dem Vater die Geldbörse gestohlen – mit allen seinen Ersparnissen – und versucht, die Tochter des Paars zu vergewaltigen, die im Teenageralter war. Der Vater hatte einem der Männer die Waffe entrissen, und sie waren geflohen, aber jetzt verfolgten sie sie. Ich hatte mein Handy bei mir und sagte, ich würde Hilfe rufen. Darauf gerieten sie in Panik und flehten mich an, es nicht zu tun.«
»Weil sie Illegale waren.«
»Und weil die Angreifer unsere Leute waren, eine Grenzpatrouille.«
»Oh.«
»Die Familie hatte es geschafft, sie abzuhängen, aber sie waren nicht weit weg und kamen näher. Ich konnte sehen, wie vier oder fünf von ihnen der Spur folgten. Im Gegensatz zu mir lasen sie die Spuren nicht nur, sondern wollten die Personen fangen, die sie hinterlassen hatten, die Familie. Ich wusste, was passieren würde, wenn die Grenzer sie fanden. Wir konnten sie in einer halben Meile Entfernung von unserem Versteck sehen.«
»›Wir‹. Das verrät mir schon halbwegs, wie die Sache weitergeht.«
»Ich konnte die Leute nicht allein lassen. Sie wären mit Sicherheit getötet worden. Also führte ich sie fort und verdeckte unsere Spuren, so gut es ging. Es war eine Art Katz-und-Maus-Spiel,
aber wir entkamen. Etwa drei Stunden später brachte ich sie in San Antonio in einem Kirchenasyl unter.«
Ich war damals dreiundzwanzig gewesen und hatte den größten Teil meines Lebens mit Studieren verbracht. Jener Nachmittag war mit Abstand das Aufregendste gewesen, was ich bis dahin erlebt hatte.
»Sie sagten, Sie wurden verhaftet. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich etwas Unrechtes getan hatten. Sie hätten theoretisch einfach sagen können, Sie hätten nicht gewusst, dass es sich um illegale Einwanderer handelte. Sie haben nur ein paar Leuten geholfen, vor Angreifern zu fliehen.«
»Ich habe noch nicht erzählt, dass einer der Grenzer durch einen trockenen Flusslauf vorausgefahren war. Die einzige Möglichkeit, von dort wegzukommen, war mit einem Fahrzeug. Ich hatte Angst, dass der Vater den Mann erschießen würde, deshalb nahm ich seine Waffe, schlich mich hinter den Grenzer und stahl ihm den Jeep und die Knarre.«
»Okay, dafür kann man verhaftet werden«, sagte Ryan.
»Nachdem ich die Familie in der Kirche abgesetzt hatte, warf ich die Waffe in einen See und stellte den Jeep auf dem Parkplatz eines Lebensmittelladens ab. Dann fuhr ich per Taxi zum Orientierungskurs zurück.«
»Und wie hat man sie erwischt?«
»Kontrollabschnitt«, erklärte ich. »Eine Sicherheitsmaßahme beim Orientierungslauf. Offizielle vergleichen die Startliste mit den Kontrollabschnitten am Ziel. Wenn jemand dort nicht ankommt, schicken sie Suchtrupps los. Die Leute von der Grenzpatrouille hatten die Flaggen der Kontrollstellen gesehen – orange und weiß, schwer zu übersehen – und von dem Wettbewerb erfahren. Sie stöberten mich am nächsten Tag am College auf und verhafteten mich, und der Fall ging an einen FBI-Agenten aus D. C., der damals gerade in San Antonio war. Agent Fredericks, der, mit dem ich jetzt zusammenarbeite.«
»Aber wenn Sie jetzt Officer bei einer Bundesbehörde sind, können Sie damals nicht verurteilt worden sein.«
»Wie sich herausstellte, war Freddy in Texas, um Fälle zu untersuchen, in denen Grenzpatrouillen illegale Einwanderer ausgeraubt und angegriffen hatten. Statt zum Beklagten wurde ich also zum Zeugen. Ich habe zu vier Verurteilungen beigetragen.«
»Und die Illegalen?«
Ich lächelte. »Irgendwie konnte ich mich nicht mehr erinnern, wohin ich sie gebracht hatte.«
»Gut für Sie.«
»Ich machte ein paar Diplome und begann als Lehrer zu arbeiten. Aber dieses Wochenende ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ein paar Jahre später rief ich Agent Fredericks an, und er brachte mich mit ein paar Leuten bei der Diplomatic Security in Washington – Außenministerium – in Kontakt. Ich stieg bei ihnen ein und habe ein paar
Weitere Kostenlose Bücher