Schutzlos: Thriller (German Edition)
Mandanten kannte, auch wenn er isoliert war. Nicht, ehe der Job abgeschlossen war. Danach war es mir egal, ob er rausflog oder nicht. Ich würde Freddy empfehlen, ihn zu entlassen.
Effizienz. Rationale Strategien.
Einen Augenblick später platzte Joanne in den Flur. Sie ging auf mich zu und blinzelte wegen des Geruchs und vermutlich, weil ich noch Ruß auf der Haut hatte. »Meine Stieftochter«, stieß sie hervor. »Wie geht es ihr?« Ryan kam ebenfalls zu uns und legte die Stirn in Falten.
Ich hatte sie natürlich vom Wagen aus angerufen und ihnen von der erfolgreichen Flucht bei Carter erzählt und dass er und Amanda jetzt in Sicherheit waren. Aber die Eltern wollten weitere Einzelheiten und Versicherungen hören. Ich erzählte ihnen, dass ich Amanda in einem Gefängnis untergebracht hatte.
»Ich will mit ihr reden«, sagte Joanne. »Ich habe versucht, zu telefonieren, aber es hat nicht funktioniert.«
»Fürs Erste will ich nicht, dass jemand mit ihr kommuniziert. Ich möchte ihren Aufenthaltsort vollkommen geheim halten.«
»Wo liegt das Problem, wenn ich mit ihr spreche?«
»Sie könnte erwähnen, wo sie sich befindet.«
»Warum dürfen wir es nicht wissen?«, fragte Ryan.
»Loving begreift ihren Wert als Druckmittel gegen Sie. Ich möchte nicht einmal eine Andeutung über sie im Äther haben. Sie ist absolut sicher. Carter ist bei ihr, und sie sind im Gefängnis.«
»Ich dachte, Sie wollten keinen Knast benutzen«, sagte Joanne.
Mir fiel auf, wie schnell sie sich unseren Jargon zu eigen gemacht hatte.
»Normalerweise nicht. Aber die Umstände haben sich geändert.« Um sie zu beruhigen, fügte ich hinzu: »Es schien ihr besser zu gehen als Carter. Es stimmt, was er über sie gesagt hat: Sie hat Mumm.«
Ryan trank Kaffee. Ich roch keinen Alkohol. Ich erklärte den beiden: »Wir können den Graham-Fall ausschließen.«
»Was haben Sie herausgefunden?«
Ich erzählte von der Scheckfälschung durch Grahams Sohn und fügte hinzu: »Weil er nicht aufs College gehen wollte.«
Joanne schüttelte den Kopf, vielleicht aus Bestürzung darüber, wie kaputt eine Familie sein musste, wenn die Kinder zu solchen Mitteln griffen.
Ryan massierte sein lahmes Bein. »Die meisten Jugendlichen schmeißen einfach hin. Sie begehen keine Straftaten nach Bundesrecht. Es ist trotzdem ein Verbrechen, auch wenn er die Klage zurückzieht. Ich könnte den Jungen immer noch verfolgen.«
Ich zögerte einen Moment lang. Dann fragte ich: »Sie haben Graham getroffen. Was halten Sie von ihm?«
»Er ist ein Arschloch.« Kessler schien zu verstehen, was ich sagen wollte. Er nickte. »Ich kann es dem Jungen nicht verübeln, dass er es auf seine Weise macht. Ich denke, ich werde die Sache einfach fallen lassen.«
Joanne dachte laut nach. »Wer hat angerufen, um Druck auf Ryans Abteilung zu machen, damit sie den Fall nicht weiterverfolgen?«
Eine einflussreiche Person …
»Wahrscheinlich einer von Grahams Bossen im Verteidigungsministerium. Aber das ist jetzt vollkommen uninteressant.«
Rudy Garcia verließ das Haus, ohne einen Blick in meine Richtung zu werfen. Ich ging zur Tür und sah ihn in den Wagen steigen, dann winkte ich Tony Barr herein. Ich stellte den stillen, ernsten FBI-Agenten meinen Mandanten und Lyle Ahmad vor, der ihn – auf einen Wink von mir – zur Seite nahm, um ihn in die Verfahrensabläufe im sicheren Haus einzuweihen. Er war schnell im Bilde, und ich freute mich, dass Freddy ihn empfohlen hatte.
Dann sagte ich: »Ryan, Sie müssen mir einen Gefallen tun.«
»Natürlich, was denn?«
»Es geht um die Akten über diese Verwaltungsarbeit, die Sie erledigen.«
»Die… Sie meinen den Abrechnungskram?« Er fuchtelte in Richtung Esszimmertisch, auf dem sich die Akten des Police Departments stapelten.
»Genau. Ich muss Kopien davon an einen Staatsanwalt schicken.«
»Heißt das, Sie glauben, das Ryan deswegen bedroht wird?«, sagte Joanne. »Weil er irgendwelche illegalen Machenschaften innerhalb der Polizei aufgedeckt hat?«
»Nein«, sagte ich.
»Aber dann …?«, sagte Joanne.
Ich überlegte, wie ich meine Strategie gegenüber Westerfield am besten beschreiben sollte. »Ich muss einem Hund einen Knochen zuwerfen«, sagte ich schließlich.
39
Auch wenn es keinem von beiden bewusst war, runzelten Joanne und ihr Mann in genau gleicher Weise die Stirn.
Normalerweise teile ich meinen Mandanten nicht viel von meiner Strategie mit. Jetzt fand ich es jedoch klüger, sie wissen zu lassen, was vor sich
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