Schutzlos: Thriller (German Edition)
Index in diesem Jahr um vier Prozent.«
»Keine Straftat, kein Grund, einen Lifter anzuheuern.«
»Richtig.«
»Verdammt«, murmelte er. »Eine Sackgasse.«
Das also war der Stand der Dinge. Einer der besten Lifter war hinter Ryan Kessler her. Und zwar nicht wegen seiner beiden aktuellen großen Fälle. Und es war nicht wegen seiner Verwaltungstätigkeit.
Die Spieltheorie berücksichtigt Unbekannte und Bekannte in der Gleichung. Man weiß nicht, wie der Würfel fallen wird, welche Karte man als nächste aufhebt oder bekommt. Man kennt den nächsten Zug seines Gegners nicht.
Deine zitternde Hand lässt dich manchmal irrtümlich ziehen.
Aber etwas, was du immer weißt, ist, wer dein Gegner ist und welches Ziel er verfolgt.
Dieses Spiel war jedoch anders. Ich kannte den Gegner nicht – nur die Spielfigur, den Springer oder Turm: Henry Loving.
Und ich kannte das Ziel des Spiels nicht.
Spielten wir Bridge, Arimaa, Backgammon, Go? Das Spiel des Lebens, Poker? Unbekannte, absolut Unbekannte.
Ryan massierte sein krankes Bein und blickte auf das Gemälde über dem Kamin, noch mehr dicke Pferde mit dürren Beinen. »Vielleicht ist es doch einer der kleineren Fälle. Ich habe es zwar
nicht geglaubt, aber es könnte sein. Der Identitätsraub oder die Kreditkarten-Sache.«
In diesem Moment ertönte Joannes feste Stimme hinter uns. »Nein«, sagte sie. »Es ist nichts davon.«
Ryan und ich drehten uns zu ihr um.
»Ich habe die Antwort«, flüsterte sie, sah von dem Computer auf und machte eine verächtliche Handbewegung in Richtung des Geräts. »Loving ist gar nicht hinter Ryan her … sondern hinter meiner Schwester. Hinter meiner gottverdammten Schwester.«
41
Ryan runzelte die Stirn. »Maree? Das kann nicht sein. Sie heißt nicht einmal Kessler mit Nachnamen.«
Joanne blickte in meine Richtung. »Stand irgendwo konkret: ›Holen Sie sich Ryan Kessler?‹ in dieser E-Mail, von der Sie gesprochen haben?«
»Mit der Loving grünes Licht bekam? Nein. Aber es hieß ›Kessler‹ und dazu Ihre Adresse.«
»Und genau so würde man beschreiben, wo Maree wohnt«, konterte Joanne.
Ich dachte darüber nach. »Stimmt. Aber warum glauben Sie, dass sie es ist?«
Sie nickte in Richtung des Laptops, dem ihrer Schwester. »Den hat Maree gestern Abend hier draußen gelassen.«
Ich erinnerte mich, ihn gesehen zu haben, als ich von Garcias Haus zurückkam.
»Ich habe mich gefragt, ob Andrew hinter all dem steckt«, sagte Joanne. »Ich wollte sehen, ob sich in ihrem E-Mail-Archiv etwas findet, was darauf schließen lässt.«
Ihr Mann sah mich an. »Andrew. Kann das sein?«
»Nein«, sagte ich. »Ich habe ihn von meiner Mitarbeiterin überprüfen lassen, sobald sein Name fiel. Erinnern Sie sich noch, wie ich Maree am Samstag im Wagen dazu ermunterte, ihn anzurufen? Das tat ich, um an seine Telefonnummer zu kommen. Claire hat ihn überprüft. Er ist sauber – aus unserer Perspektive. Er wurde mehrmals wegen Körperverletzung angeklagt, zweimal wegen häuslicher Gewalt vor ein paar Jahren. Einige einstweilige Verfügungen. Aber es gibt keine Verbindung zu Henry Loving.«
»Ich rede nicht von Andrew«, sagte Joanne. »Ich habe etwas anderes gefunden. Hier.« Sie drehte den Laptop zu uns herum. Ich sah das Logo von Global Software auf dem Schirm, während Joanne Ordner mit der Bearbeitungs- und Archivierungssoftware öffnete. Sie rief einige der neueren Fotos ihrer Schwester auf – die Serie im Zentrum von Washington, darunter die Bilder, bei deren Auswahl ich ihr geholfen hatte. Sie hielt bei einem anderen Bild, bei einem, das ich kurz gesehen, aber nicht weiter beachtet hatte. Auch dieses zeigte zwei Männer im ernsten Gespräch, die im Freien in einem Café irgendwo in der Nähe der Mall saßen. Einer schien Ende fünfzig zu sein, der andere etwa zwanzig Jahre jünger. Der Hintergrund war verschwommen – eine beabsichtigte Unschärfe, nahm ich an –, und die angespannten Gesichter der Männer nahmen die Aufmerksamkeit des Betrachters gefangen.
»Fällt Ihnen etwas auf?«, fragte Joanne.
Ich betrachtete das Bild sorgfältig, und schließlich bemerkte ich, dass der ältere Mann etwas in die Hand des jüngeren fallen ließ. Es war unmöglich, genau zu sehen, was es war, aber es hätte ein USB-Stick sein können. Ich fragte Joanne, ob sie das gemeint hatte.
»Ja.«
»Und?«, fragte Ryan.
»Erkennt ihr den älteren Mann nicht?«, fragte seine Frau.
»Nein«, sagte ich. »Sollte ich?«
Ryan schüttelte den
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