Schutzlos: Thriller (German Edition)
Unterhaltung auf dem Felsvorsprung dachte.
Ich sah zu Joanne, weil ich ihr die Gelegenheit zu sprechen geben wollte. Ich fühlte, dass sie zur Aufgabe bereit war. Keine Tränen – das war in der Tat ein weiterer Hinweis auf die Wahrheit gewesen, den ich übersehen hatte. Ich kann mich darauf verlassen, dass meine Mandanten wenigstens ein paarmal weinen, vor allem nach einem Angriff. Nicht so Joanne. Mir wurde jetzt bewusst, dass ihr Gesichtsausdruck und ihre Haltung in den vergangenen Tagen – die Erstarrung, der ausdruckslose Blick – nicht daher rührten, dass die behütete Hausfrau mit ihrem Abscheu vor Gewalt unvermittelt in diese furchtbare, unbegreifliche Situation gestürzt war.
Sie war schlicht wegen ihres Trainings oder weil es ihre Natur war, so wenig emotional. Wahrscheinlich beides.
»Er redet von meinem Job«, sagte Joanne ruhig zu ihrem Mann und ihrer Schwester.
»Von deinem Job?«, sagte Maree. »Du hast für das Transportministerium Zahlen verdreht.«
»Nein. Ich habe tatsächlich für die Regierung gearbeitet. Aber es war eine andere Gruppe.« Sie sah mich an und verzog das Gesicht. »Ich weiß, wie Sie dahintergekommen sind. Ich habe das Intelligence Assessment erwähnt, richtig? Ich konnte es selbst nicht fassen, dass es mir herausrutschte. Ich war wütend, aufgewühlt. Ich dachte, Sie hätten es nicht bemerkt.«
»Ja, das war es.«
Die Terrorzelle macht sich Sorgen, bei den nationalen Sicherheitsdiensten – CIA, FBI, Intelligence Assessment – könnte jemand Allendes Begleiter identifizieren.
Das Intelligence Assessment Department der Regierung ist eine sehr kleine Bundesagentur mit sehr großen Computern und Sitz in Sterling, Virginia. Sein Zweck ist es, Dateien mit Namen, körperlichen Merkmalen und persönlichen Vorlieben
von allen Leuten zu unterhalten, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen, und die Daten zu analysieren. Falls sich jemand je gefragt hat, woher sich CIA oder Militär so sicher sein können, dass ein bärtiger Dreißigjähriger in den Straßen von Kabul ein unschuldiger Geschäftsmann und ein für unsere westlichen Augen identisch aussehender Bursche einen Block weiter ein Al-Qaida-Terrorist ist – das Intelligence Assessment ist der Grund dafür.
Jedoch wissen nur hochrangige Mitarbeiter der nationalen Sicherheitsdienste, dass es überhaupt existiert.
Kein Zeitungsartikel hat je darüber berichtet. Joanne konnte unmöglich auch nur vom IAD gehört haben, ganz zu schweigen davon, wissen, dass es in der Lage war, den Mann auf dem Bild mit Allende zu identifizieren … es sei denn, sie hatte Verbindungen zu hochrangigen Sicherheitsorganisationen.
Das hatte meinen Verdacht geweckt. In der verschlüsselten Nachricht, die ich DuBois geschickt hatte, nachdem Joanne das Bild auf dem Computer ihrer Schwester gefunden hatte, war es deshalb nicht nur darum gegangen, die Fotos analysieren zu lassen, sondern auch darum, festzustellen, ob jemand in den vergangenen zwölf Stunden beim IAD wegen Allende angefragt hatte. Und wenn ja, ob sich diese Anfrage zu Joanne Kessler zurückverfolgen ließ.
DuBois hatte zuvor natürlich ein grundlegendes Profil der Frau erstellen lassen – mit ihrem schulischen und beruflichen Werdegang und Dingen wie dem Autounfall. Aber wenn Joanne über das IAD Bescheid wusste, legte das für mich den Schluss nahe, dass die öffentlich zugängliche Information vielleicht nur Tarnung und ihr wahrer Lebenslauf in geheimen Archiven und Dokumenten zu finden war.
Sie machen also Ihre Hausaufgaben … Was haben Sie über mich in Erfahrung gebracht?
DuBois meldete, dass tatsächlich heute Morgen jemand mit
hoher Sicherheitsstufe eine Anfrage an das IAD zur Identifizierung von zwei Personen auf einem Foto gestellt hatte, das von einem unbekannten Ort hochgeladen wurde. Die Analyse sei noch in Arbeit.
Was Joanne Kesslers echten Lebenslauf anging, nun, um den herauszufinden, war einige Raffinesse nötig gewesen. Aaron Ellis hatte mitgeholfen, wie DuBois in ihrer E-Mail ausführte, und er hatte einige Schulden in Langley und Fort Meade, dem Sitz der National Security Agency, eingetrieben.
»Aber deine Arbeit …«, entfuhr es Ryan. »Ich habe dich besucht. Wir haben zusammen zu Mittag gegessen, ein halbes Dutzend Mal. Wir waren bei Air and Space, wir waren in der Nationalgalerie. Ich habe dich ins Büro zurückgebracht. Das Highways Analysis Bureau. In der 21. Straße. Ich war dort!«
»Schatz …« Das Wort schien zu
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