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Schutzlos: Thriller (German Edition)

Schutzlos: Thriller (German Edition)

Titel: Schutzlos: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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merke es ihm an. Er ist nahe dran. Ich glaube, wenn Sie mit ihm reden würden, hilft er uns vielleicht.«
    »Sie meinen, wenn ich an seinen Anstand appelliere?«, fragte sie.
    »Als Amandas Stiefmutter, ja.«
    Ihr Blick ging zu dem Trapez aus Licht, das aus der offenen Tür des Panikbaus auf das Gras fiel. »Ich werde es versuchen.«

58
    Pogue und ich standen vor der geschlossenen Tür des Außengebäudes.
    Ich betrachtete ihn zum ersten Mal aus der Nähe.
    Der Kopf unter diesem sandfarbenen Haar war länglich, ein Raubtierschädel. Seine Züge waren verkniffen, und eine Narbe zog sich über sein Kinn, kurz, schmal und gebogen, von einem Messer, nicht von einem Schrapnell. Er lächelte nicht und zeigte nicht viel Gesichtsausdruck, und ich bezweifelte, dass er es je tat. Kein Ehering, kein Schmuck. Ich bemerkte Reste von Nähten, wo Abzeichen von seiner grünen Jacke entfernt worden waren. Vermutlich war es ein Lieblingsstück, das er schon seit Jahren besaß.
    Um seine schmalen Hüften lag ein Leinengürtel mit einem Spezialholster daran – einer Klammer im Wesentlichen, in die eine schallgedämpfte Pistole passte – sowie einer Reihe von Magazinhaltern, dazu ein Messer und mehrere kleine Dosen, deren Zweck ich nicht erriet.
    Anders als Ryan Kessler fummelte Pogue nicht pausenlos an seinen Waffen herum. Er wusste, dass sie da waren, wenn er sie brauchte. Auf dem Boden neben ihm stand ein abgenutzter dunkler Nylonrucksack, dessen Inhalt schwer war. Ich hatte ein Klappern gehört, als er ihn absetzte.
    Er stand mit verschränkten Armen da und blickte mit den Augen eines Schäfers über das Grundstück, als wäre ihm meine
Anwesenheit nicht bewusst. »Den hab ich übersehen«, sagte er schließlich.
    Ich nahm an, er meinte Barr.
    »Ich hatte Informationen«, fuhr er fort. »Einzelne Bruchstücke. Nichts passte zusammen.«
    Das allerdings stimmte nicht ganz. Die Stücke passten sehr wohl zusammen, wie ein maschinell geschnittenes Puzzle. Ich hatte mich jedoch auf die einzelnen Teile konzentriert, nicht auf das Bild als Ganzes. Ich bin kein großer Puzzle-Freund – es ist eigentlich kein Spiel –, aber ich weiß, die Strategie sieht normalerweise so aus, dass man zuerst den Rand macht, damit man einen Rahmen hat, den man ausfüllen kann.
    Genau das Gegenteil von dem, was ich hier gemacht hatte. Ich hatte eine Menge Mutmaßungen angestellt.
    Pogue blickte in Richtung meiner Hüfte. »Sie mögen die Glock?«
    »Ja.«
    »Ist eine prima Waffe.« Dann mit einem Hauch von Kritik. »Ich selbst hab lieber einen etwas längeren Lauf.«
    »Interessantes Holster«, sagte ich und nickte zu seinem Gürtel.
    »Mhm.«
    Eine Weile Schweigen. »Evolution«, sagte Pogue mit nachdenklicher Stimme.
    Während meiner Studienzeit hatte ich immer wieder Zeit gefunden, einzelne Kurse einfach nur deshalb zu belegen, weil mich das Thema neugierig gemacht hatte. Einmal besuchte ich eine sehr gute Vorlesung an der medizinischen Fakultät mit dem Titel »Darwin und die Geschichte der Biologie« (auch weil Peggy nebenan ihr Seminar in Anatomie hatte). Ich war neugierig, was Pogue meinte, und warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Waffen spiegeln eine funktionierende Evolution mehr als alles andere in der Gesellschaft wider, finden Sie nicht?«
    Survival of the Fittest , in gewisser Weise, aber nicht ganz, wie es Darwin im Sinn hatte.
    Es stellte sich jedoch als interessante Idee heraus. »Nehmen Sie Medizin und Fahrzeuge, Farben und Uhren, Computer, chemisch behandelte Lebensmittel, was Sie wollen. Was ist in diesen Bereichen geschehen? Quecksilber als Medizin verabreicht, Aderlass als Heilmittel. Flugzeuge, die abstürzten, Brücken, die einstürzten. Ingenieure und Wissenschaftler, die nur wild drauflos probierten und sich und andere dabei umbrachten. Fehlschläge über Fehlschläge, wohin man schaut.«
    »Schätze, das kann man so sehen.«
    »Aber Waffen? Funktionstüchtig von Anfang an.« Ein leichter Südstaatenakzent wurde hörbar.
    »Es dürfte kein Schwert gegeben haben, das bei der ersten Benutzung kaputtging. Keine Muskete, die einem vor der Nase explodierte – die Männer, die die Dinger machten, haben sie auf Anhieb richtig gemacht. Den Luxus eines Irrtums konnten sie sich nicht leisten. Deshalb kann man Kanonen, die zweihundert Jahre alt sind, immer noch abfeuern, und manche treffen ziemlich genau.«
    »Natürliche Auslese.«
    »Darwin’sches Waffenschmieden.«
    Wir verstummten wieder, nicht wegen des Gesagten, sondern weil Ryan

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