Schutzlos: Thriller (German Edition)
Wache stehen lassen, damit ich beschäftigt bin.«
Ich zögerte. »Ja. Das stimmt.«
»Und Sie hatten noch die Unverfrorenheit, mir zu erzählen, wie großartig ich meine Sache gemacht habe.« Er schüttelte den Kopf. »Scheiße, Corte. Und als es dann tatsächlich jemanden festzunehmen gab hier – nämlich McCall –, haben Sie keine Sekunde an mich gedacht, nicht wahr? Sie haben unseren Freund hier zu Hilfe gerufen.« Ein verächtlicher Blick in Richtung Pogue. »Haben Sie einen Ausdruck dafür, wie Sie uns Mandanten ruhigstellen? Wie Sie dafür sorgen, dass wir mit unseren Spielsachen in der Ecke sitzen und die Erwachsenen nicht stören? Kommen Sie, Corte.«
»Ry, Schatz, bitte. Du …«
»Halt den Mund!«, schrie er Joanne an, dann wandte er sich wieder an mich. »Sie Scheißkerl«, murmelte er. »›Bewachen Sie den Garten, Ryan. Zielen Sie tief, vermeiden Sie die Oberschenkelschlagader. Sie sind wahrscheinlich ein großartiger Schütze …‹«
»Ich musste Sie auf meine Seite bringen.«
»Und dass Sie mir Ihre Kriegsgeschichten erzählt haben. Wie Sie in dieses Geschäft geraten sind… Ihre Orientierungsläufe und alles. Alles gelogen?«
»Nein.«
»Blödsinn.«
Er tat mir in tiefster Seele leid. Wie hätte es anders sein können? Ein Mann, der um die berufliche Tätigkeit gebracht worden war, die er liebte – und um seine Frau dazu.
Der um seinen Status als Held gebracht worden war.
Und den ich belogen hatte.
»Geben Sie mir diese Chance«, flüsterte er. »Ich bin ein guter Schütze, und das Hinken ist nichts. Ich kann mich schnell bewegen, wenn es sein muss.«
»Nein, Ry«, sagte Joanne. »Lass sie das machen.«
»Es tut mir leid«, sagte ich.
»Ich fahre trotzdem hin. Sie können mich nicht aufhalten. Ich weiß, wo sie ist. Wenn Sie weg sind, schnappe ich mir einfach irgendein verdammtes Auto und fahre trotzdem hin.« Seine Hand ging zur Waffe.
Ein Moment gespannter Stille. Ich musste Lyle Ahmad nur kurz ansehen, und der Exmarine trat hinter Ryan und zwang ihn mit einem einfachen Griff ans Handgelenk seiner Waffenhand auf den Boden. Es gab einen Gegengriff, mit dem sich Ryan, der größere der beiden Männer, hätte befreien können, aber falls er ihn je gekannt hatte, hatte er ihn vergessen.
»Verdammter Feigling«, knurrte er, den Blick auf mich gerichtet. »Sie konnten es nicht einmal selbst machen. Mussten es jemanden von hinten tun lassen.«
Ich trat vor und streifte ihm Nylonfesseln über die Handgelenke.
»Nein!«, schrie er.
»Es tut mir leid.«
»Sie ist meine Tochter!«
Es war allerdings Joanne, die ich ansah. Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, strömten jetzt Tränen über ihre Wangen.
Ahmad brachte Ryan in eine sitzende Position. Ich beugte
mich zu seinem breiten, feuchten Gesicht hinunter, das dunkelrot vor Wut war. »Ich bringe sie Ihnen zurück«, sagte ich. »Wohlbehalten.«
60
Die Route 15 ist eine hügelige Straße durch das Herz des Bürgerkriegs-Virginias, gut sechzig Kilometer außerhalb von Washington. Große Privatgüter an den Ausläufern des Ranch-Lands wehren sich gegen eindringende Siedlungen, deren Straßennamen einem Thema wie Camelot, Pflanzen oder dem kolonialen Neuengland folgen und die wie mit der Plätzchenform ausgestochen wirken.
Merkwürdige Dinge finden sich entlang des Highways. Heruntergekommene, aufgegebene Farmen, deren Besitzer nicht bereit sind, an sabbernde Bauträger zu verkaufen oder die schlicht verschwunden sind – häufig, weil sie aus einer Vielzahl von Gründen lieber außerhalb der Gesellschaft bleiben. Es gibt ominöse Gebäude aus fleckigem Beton oder verrostetem Stahl, umgeben von schroffen Warnschildern und scharfen, gleichermaßen verrosteten und von Kudzu bedeckten Zäunen. Früher, im Kalten Krieg, wurden dort verschiedene Versuche in Sachen Verteidigungssysteme durchgeführt. Wir können heute noch keine Interkontinentalraketen abschießen, geschweige denn konnten wir es vor fünfzig Jahren, aber das hielt das Militär nicht davon ab, es zu versuchen. Einige dieser Gebäude standen eigentlich zum Verkauf, aber da die meisten von ihnen als Waffenlager gedient hatten, schreckten die Kosten der Giftmüllentsorgung alle potenziellen Käufer ab.
Ich hatte mir einen gründlichen Überblick über unser Ziel
verschafft: USAF-LC Facility 193, ein großes Betongebäude, nur dreißig bis vierzig Minuten vom sicheren Haus entfernt.
Jetzt steuerte ich meinen Wagen an dem Gelände vorbei und nahm die Betonfassade und den
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