Schutzlos: Thriller (German Edition)
über Freddy gesagt: »Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die besten FBI-Agenten wie Mafiagranden im Fernsehen aussehen, und die besten Mafiagranden wie Fernseh-Agenten?« Es war mir nie aufgefallen, aber es stimmte. Kräftig und säulenartig gebaut, ließ es der fünfundfünfzigjährige Paul Anthony Xavier Fredericks stets gemächlich angehen. Er war ein alter Hase beim FBI; nach seinem Collegeabschluss hatte er nie woanders gearbeitet. Er kam in Begleitung eines jüngeren Beamten ins Haus. Beide folgten mir in die Küche.
Special Agent Rudy Garcia war Ende zwanzig. Mit seinem Bürstenschnitt und dem reservierten Auftreten war er vor dem FBI eindeutig beim Militär gewesen. Er hatte flinke Augen, lächelte nie und war verheiratet, und ich schätzte, er war nicht der Typ, mit dem man gern auf ein Bier ausging. Andererseits hatte ich dasselbe über mich auch schon sagen hören.
»Die Kesslers packen. Gibt es Nachricht aus West Virginia?«
Ein Achselzucken drückte alles aus. Ich hatte nicht viel erwartet. Ein nicht identifiziertes Fahrzeug, eine unbekannte Route. Loving war unsichtbar.
»Wann dürfte er voraussichtlich hier in der Gegend aufkreuzen, Freddy?«
»Noch mindestens zwei Stunden, bis er in Fairfax ist«, sagte der Agent, der den gerahmten Zeitungsartikel über Ryan den Helden las. »Hieran erinnere ich mich, klar.«
Garcia lief im Erdgeschoss umher und schaute aus den Fenstern. Er machte es gut und achtete genau darauf, jemandem außerhalb des Hauses nichts zu verraten.
Und selbst kein Ziel darzustellen.
Joanne und Ryan kamen die Treppe herunter, der Polizist trug zwei Koffer. Er stellte sie in der Diele ab, dann kamen die beiden zu uns in die Küche. Ich stellte sie den Agents vor.
»Tut mir leid, dass wir Ihnen das Wochenende versauen«, sagte Freddy.
»Ist Maree noch oben?«, fragte ich. »Wir müssen los.«
»Sie wird gleich hier sein.«
»Vielleicht wäre Amanda wohler, wenn ihre Tante mit zum Haus Ihres Freundes in Loudoun fahren würde«, schlug ich vor.
Nach kurzem Zögern antwortete Ryan jedoch: »Wahrscheinlich nicht.« Joanne stimmte zu.
Freddys Funkgerät knatterte los. »Ein SUV nähert sich. Zugelassen auf William Carter.«
»Der Freund«, sagte ich. »Die Tochter der Kesslers bleibt bei ihm.«
Einen Augenblick später war Bill Carter an der Tür. Er kam ohne zu klopfen herein, umarmte Joanne innig und drückte Ryan warm die Hand. Der weißhaarige Mann war Anfang sechzig, braungebrannt und fit, rund eins fünfundachtzig groß. Sein Gesicht war ernst, und die scharfen, grauen Augen musterten mich durch eine große Fliegerbrille, als wir uns die Hand gaben. Er begrüßte auch Freddy und Garcia und prüfte alle Ausweise sorgfältig. Ich erhaschte einen Blick auf einen glänzenden Pistolengriff im Holster unter der Jacke.
»Dann ist es also wahr«, murmelte er.
»Es ist schrecklich, Bill«, sagte Joanne. »An einem Tag ist noch alles in Ordnung und dann … das.«
Ich gab Carter ebenfalls ein sicheres Handy und erklärte es ihm.
»Wer ist hinter dir her?«, fragte er Ryan.
»Der Mensch gewordene Teufel«, kam die trockene Antwort.
Ich beantwortete Carters alles andere als rhetorische Frage – als früherer Polizist würde er Einzelheiten wissen wollen. »Sein Name ist Henry Loving. Er ist weiß, Mitte vierzig, etwa hundert Kilo schwer, dunkles Haar. Hatte eine Narbe an der Schläfe. Wahrscheinlich hat er sie inzwischen nicht mehr.« Ich tippte in den Computer. »Hier ist ein altes Bild von ihm. Er verändert geschickt sein Aussehen, aber das gibt Ihnen eine ungefähre Vorstellung.« Meine Mandanten und Carter betrachteten schweigend das gutmütig wirkende Gesicht Henry Lovings. Wenn man ihm einen weißen Kragen umgebunden hätte, wäre er als Priester durchgegangen. In einem dunkelblauen Anzug wäre er ein Buchhalter oder Verkäufer bei Macy’s gewesen. Sein Gesicht war so friedfertig wie meins, nur ein bisschen voller. Er sah nicht aus wie jemand, der Menschen entführt, foltert und tötet. Was ihm zugutekam.
»Ich denke, wir haben alles im Griff«, sagte ich zu Carter, »und er weiß nichts von Ihnen. Aber seien Sie auf der Hut. Haben Sie W-Lan in Ihrem Haus in Loudoun?«
»Jawohl.«
»Können Sie es außer Betrieb nehmen?«
»Natürlich.«
»Und stellen Sie sicher, dass Amanda Ihren Computer nicht für Einwahl konfiguriert.«
»Könnte sie das denn?«
»Sie ist ein Teenager. Die können aus Küchenutensilien einen bauen. «
»Ja, da haben Sie wohl
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