Schutzlos: Thriller (German Edition)
ernstere Sorgen haben als einen gefälschten Scheck.« Newark hatte ein massives Drogen- und Bandenproblem, eines der schwersten an der ganzen Ostküste.
»Haben Sie sich angesehen, woran er arbeitet?«, fragte ich.
»Wer?«
»Das Opfer. Der Typ, dem das Scheckbuch geklaut wurde.«
Ryan betrachtete den Teppichboden. »Im Pentagon?«
»Richtig.«
»Eigentlich nicht. Wieso?«
Ich bemerkte, dass der defensive Tonfall wieder da war.
»Ich habe mich nur gefragt, ob es ein zufälliges Verbrechen war oder ob er gezielt aufs Korn genommen wurde.«
»Na ja, es sieht auf jeden Fall nach Zufall aus. Ein Gelegenheitsdiebstahl. Der Täter hat eine Sporttasche erbeutet, ein paar Klamotten, nichts Geheimes, kein heikles Material.«
Ich fragte nach Details, Namen, Telefonnummern, Adressen. Er öffnete seine große Aktentasche, die mit Hunderten von Papieren gefüllt war, holte ein braunes Kuvert heraus und gab mir die erbetenen Informationen. Ich versicherte ihm noch einmal, dass wir seine Ermittlungen nicht gefährden würden.
»Das würde ich sehr begrüßen.«
»Was ist Ihr anderer großer Fall?«
»Ein Betrug mit einem Schneeballsystem.«
»Wie Madoff?«
»Sehr viel kleiner. Aber in der Theorie das Gleiche. Möglicherweise hat der Täter relativ gesehen genauso viel Schaden angerichtet. Madoff hat das Leben von vielen Reichen ruiniert. Mein Verdächtiger könnte eine Menge arme Leute ruinieren. Wenn Sie mich fragen, ist das sogar schlimmer. Sie haben nichts mehr, worauf sie zurückgreifen können.«
Er erläuterte, der Investmentberater, gegen den ermittelt wurde, sei angeklagt, Leute aus einem Viertel mit Bewohnern der unteren Einkommensschichten, hauptsächlich Angehörigen von Minderheiten, ausgenommen zu haben.
»Wie heißt der Verdächtige?«
»Clarence Brown. Er ist Reverend.«
Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Ich weiß. Klingt nach Rechtschaffenheit, aber es ist außerdem eine gute Tarnung, um Investoren zu gewinnen, vor allem in diesem Teil der Stadt. Er hat seinen geistlichen Titel per Versandhandel bekommen.« Ryan habe zu seiner Überraschung festgestellt, dass der Mann beinahe tausend Klienten hatte, sodass trotz kleiner einzelner Beiträge die Gesamtsumme in dem Portfolio beträchtlich gewesen sei.
Er erklärte, im Lauf des letzten Monats hätten mehrere dieser Klienten versucht, sich ihr Geld auszahlen zu lassen, aber Brown habe sie hingehalten und eine Ausrede nach der anderen vorgebracht – die klassischen Symptome eines Schneeballsystems. Die Klienten gingen zur Polizei, und der Fall war auf Ryans Schreibtisch gelandet. Er hatte gerade die Aussagen von einem Dutzend Klienten aufgenommen und damit begonnen, sich ein Bild von Browns Unternehmungen zu machen. Die Verzögerungen bei der Auszahlung des Geldes seien rein technischer Natur und durch die Besonderheiten der von ihm ausgewählten Investments bedingt, hatte Brown auf Kesslers Frage hin erklärt. Der Reverend führte kein Luxusleben. Sein Büro sei bescheiden und in einer Ladenzeile in South East D. C. untergebracht. Brown selbst wohne ein Stück weiter in der Straße in einem Mietshaus.
»Ich bin nur neugierig«, sagte ich. »Wenn gegen Gesetze des Wertpapierhandels verstoßen wurde, wieso bearbeitet dann die Metropolitan Police den Fall?«
Ryan lächelte verkniffen. »Weil es sich um kleine Fische handelt
– das Verbrechen, die Opfer. Also kriegt ein kleiner Fisch von Polizist den Fall.«
Ein betretenes Schweigen.
Eine weitere Grabungsaktion in der riesigen Aktentasche. Dokumente tauchten auf, und ich notierte mir relevante Einzelheiten auch dieser Ermittlung.
»Keine anderen Fälle, um die es gehen könnte?«
Ein Achselzucken. »Wie gesagt, es ist eine ruhige Zeit. Die anderen Fälle sind klein. Kreditkartenbetrug, Identitätsklau. Niedrige Dollarsummen. Hauptsächlich Ordnungswidrigkeiten.« Er holte einen Block heraus und notierte die Einzelheiten. »Kleinkram.« Ein neuerliches Achselzucken. »Das war’s.«
Ich nickte. »Das hilft uns, danke. Ich setze sofort jemanden darauf an.«
Ich nahm meine Unterlagen mit zu einem Tisch in der Ecke, machte das Licht an – es war düster im Raum mit den zugezogenen Vorhängen – und wählte eine Nummer.
»DuBois.«
»Claire, ich habe Informationen über Kesslers Fälle. Ich möchte herausfinden, ob irgendwer, der mit ihnen in Zusammenhang steht – Verdächtige, Zeugen, Opfer, irgendwer –, Lovings Auftraggeber sein könnte. Ich möchte, dass Sie sich den Hintergrund
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