Schutzlos: Thriller (German Edition)
aller Beteiligten ansehen.«
»Okay. Ich bin bereit.«
DuBois benutzt nie eine Anrede für mich. Sie ist etwa zwölf Jahre jünger als ich, womit sie mitten zwischen »Sir« und »Corte« sitzt.
Ich gab ihr die Einzelheiten zu Ryans Fällen durch.
»Was den Fall mit dem gefälschten Scheck angeht…«, sagte sie. »Der Mann arbeitet für das Verteidigungsministerium. Das kann vertrackt werden. Manchmal hat man mit militärischer, manchmal mit politischer Führung zu tun, dann wieder mit Privatunternehmen. Wenn es eins gibt, was sie alle nicht gern
tun, dann mit Außenstehenden reden. Auch nicht mit Insider-Außenstehenden wie uns. Haben Sie irgendwelche Kontakte dort?«
»Nein«, sagte ich.
Sie schwieg einen Moment lang. Eine ihrer Angewohnheiten war, sich das brünette Haar ständig hinter die Ohren zu stecken. Ich stellte mir vor, wie sie es jetzt tat. Es blieb nie an Ort und Stelle, andererseits tat sie selbst es ebenfalls nicht. »Ich kenne jemanden, der mit einer Freundin von mir zusammen war. Er war verrückt. Hat viel gespielt. Nicht Ihre Art von Spielen. Und auch keine Beziehungsspielchen. Er hat Szenarios für das Pentagon und die CIA durchgespielt. Wie etwa den Dritten Weltkrieg. Und den Vierten Weltkrieg. Das gibt es tatsächlich. Ziemlich beängstigend, finden Sie nicht? Ich habe mich immer gefragt, ob es einen fünften gibt. Jedenfalls werde ich ihn anrufen. Und an die Schneeballgeschichte mache ich mich auch gleich. Ich selbst lege kein Geld an. Ich glaube an die Matratzenstrategie.«
Als wir auflegten, hörte ich ein Klimpern, das mit Sicherheit von ihrem Armkettchen kam.
Ich wusste: Wenn es eine Verbindung zwischen Ryans Fällen und Henry Lovings Auftraggeber gab, würde DuBois sie finden, wie unscheinbar sie auch sein mochte. Trotz ihrer Jugend beherrschte sie die investigative Seite unseres Jobs schon besser als ich. Sie war nicht der geborene Spieler wie ich, weshalb ihr das tödliche Schachspiel zwischen Killern, Liftern und mir nicht im Blut lag. Aber sie war hartnäckig wie ein Terrier, hart und verschlagen, wenn es sein musste. Wegen ihres ausgelassenen Wesens und ihres sprunghaften Denkens redete sie die Subjekte, die sie vernahm, in Grund und Boden, und am Ende waren sie überwältigt oder eingeschüchtert. Oder gefesselt. (Sie hatte tatsächlich einmal einen Heiratsantrag von einem Mandanten, den wir vor mehr als einem Jahr beschützt hatten, erhalten, nachdem
sie den Mann mehrere Stunden lang befragt hatte. Da er ein ehemaliger Geldeintreiber des organisierten Verbrechens gewesen war, hatte sie erklärt, er sei »nicht erste Wahl bei der Partnersuche.«)
Etwa ein Jahr zuvor hatte mich Barbara, die persönliche Assistentin, die ich mir mit einem anderen Schäfer im Büro teile, dabei erwischt, wie ich DuBois mit einem Gesichtsausdruck ansah, bei dem es sich offenbar um ein Lächeln handelte und der sehr untypisch für mich ist. Es war eigentlich nur ein bewundernder Blick, nachdem die Frau eine Flut nützlicher Einzelheiten über einen potenziellen Auftraggeber herausgesprudelt hatte. Dieses Lächeln hatte Barbara, einer alleinerziehenden Mutter von fünfzig und regelmäßigen Nutzerin von Internet-Kontaktbörsen, jedoch genügt. Sie interpretierte meinen Blick als verliebt und fragte mich später, warum ich DuBois nie einlud, mit mir auszugehen (sie sagte etwas von Mai-September, was mir ein wenig unfein vorkam für einen Altersunterschied von gerade einmal zwölf Jahren).
Jedenfalls lehnte ich den Vorschlag natürlich ab. Doch meine professionelle Begeisterung für meinen Schützling war ungebrochen, und ich hörte auch nicht auf, sie zum Ausdruck zu bringen, wenn auch zugegebenermaßen auf meine typisch zurückhaltende Art.
Ich tippte jetzt meine eigenen Notizen in den Laptop, verschlüsselte die Datei und speicherte sie.
Maree kam zu uns heraus. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich umgezogen und ihr Make-up erneuert. Ein blumiger Parfümduft umgab sie. Sie sah noch attraktiver aus als zuvor. Obwohl sie und ihre Schwester einander in vielerlei Hinsicht ähnelten, war interessanterweise nur Maree das, was ich sexy nennen würde, und das hatte nichts mit dem Altersunterschied zu tun. Sie ging zur Kaffeemaschine und goss sich etwas von dem dampfenden Gebräu ein. Dann stellte sie die Tasse ab und betrachtete
mit schief gelegtem Kopf ein Blumenarrangement auf der Kommode. Sie hob die Kamera und schoss rund ein Dutzend schneller Bilder. Ich merkte mir im Geiste vor, alle Bilder
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