Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
gefunden haben?«, wollte Kluftinger verwirrt wissen.
»Geschrieben nicht«, antwortete Maier und hielt ihm das Handydisplay vors Gesicht. Darauf war ein Foto zu sehen, das einen großen, goldglänzenden Gegenstand zeigte: die Reliquienmonstranz des heiligen Magnus.
Kluftingers Blick haftete auf dem kleinen Bildschirm seines Handys. Er hatte sofort in Österreich angerufen. Bei dem Mann handelte es sich um Markus Strehl, wohnhaft in Lindenberg. Er war gelernter Goldschmied, arbeitete bei einem Juwelier in Lindau. Er war zwar bereits wegen kleiner Delikte aufgefallen, aber momentan lag nichts gegen ihn vor, das hatte Kluftinger sofort überprüfen lassen. Bydlinski hatte am Telefon noch einmal bekräftigt, dass er es für sinnvoll halte, wenn Kluftingers Leute möglichst bald nach Wien kommen würden, um den Mann zu vernehmen.
Der Kommissar legte das Telefon weg und ging zur Tür. Er bat Sandy, die Kollegen in sein Büro zu schicken. Dann ging er zum Fenster und atmete tief durch. Der Fall hatte auf einmal so sehr an Fahrt gewonnen, wie er es noch am Morgen nicht für möglich gehalten hätte. Im gegenüberliegenden Haus lehnte Uschi, die in die Jahre gekommene Blondine, gerade aus dem Fenster und rauchte eine Zigarette. Mittagspause, dachte der Kommissar. Er war immer wieder erstaunt, dass es auch in diesem Gewerbe dieselben Rituale gab wie in jedem anderen Beruf. Als sie den Kommissar sah, winkte sie eifrig herüber und schien ihm bedeuten zu wollen, das Fenster zu öffnen, doch Kluftinger grüßte nur kurz zurück, denn in diesem Moment betraten seine drei Kommissare nacheinander das Büro. Er schloss den Lamellenvorhang und bat die Kollegen, in der Sitzgruppe Platz zu nehmen.
»Also, Männer, der Richie hat euch ja schon informiert, was in Wien passiert ist. Es schaut ganz so aus, als würden wir damit ziemlich knapp vor dem Abschluss unseres Falles stehen – vorausgesetzt, die Fahndung nach dem Schutzpatron ist auch noch erfolgreich. Wie auch immer, die Kollegen in Wien erwarten, dass wir selbst kommen und diesen Strehl vernehmen. Das kann uns ja eigentlich nur recht sein!«
Die anderen nickten eifrig.
»Das heißt, zwei von uns … von euch werden möglichst heute noch nach Wien fahren.«
Das Nicken war nun schon deutlich weniger intensiv.
»Also, wenn ich das gleich mal sagen darf: Nach Wien fahren ist ja wohl ein ziemlicher Blödsinn!«, bemerkte Maier. »Wir müssen schnell dort sein, also sollten wir schon fliegen. Ich hab im Routenplaner nachgeschaut, mit dem Auto sind das sechs Stunden und vier Minuten.«
»Und vier Minuten, aha!«, wiederholte Hefele spöttisch. »Und wenn du fährst, vielleicht sogar elf, oder, Richie?«
»Ach was! Eigentlich sind’s neun, aber wir sind hier ja gut an die Autobahn angebunden, das hab ich abgezogen.«
Die anderen warfen sich vielsagende Blicke zu.
Maier ließ sich nicht beirren. »Mit dem Zug, auch das habe ich recherchiert, braucht man mindestens sechseinhalb Stunden. Mit dem Flugzeug gerade mal eine!«
Kluftinger nickte zustimmend. »Ich seh kein Problem, wenn ihr fliegen wollt. Wir kriegen das auf jeden Fall genehmigt, die Zeit drängt ja wirklich, noch dazu, wo der Schutzpatron nach wie vor auf der Flucht ist.«
Hefele meldete sich zu Wort: »Also, ich wollt nur sagen, dass ich da leider nicht zur Verfügung stehe.«
Kluftinger sah ihn stirnrunzelnd an. »Heu, ja wieso, hast du was vor heut Abend?«
»Ja, ich hab … ich muss halt so … Sachen noch … erledigen«, druckste er herum.
Die drei Kollegen sahen ihn grinsend an.
»So Sachen! Aha!«, gluckste Strobl. »Hat das am Ende was mit der Sandy zu tun?«
»Vielleicht ein Schwang…«, begann Maier, wurde aber von Hefele unterbrochen, der mit hochrotem Kopf aufsprang und sich vor seinem Kollegen aufbaute.
»Jetzt hör mal gut zu, du Krischpl! Ich hab verdammte Flugangst, okay? Und wenn ihr jetzt nicht gleich mit diesem Schmarrn aufhört, dann geh ich mich beschweren! Das ist lupenreines Mobbing, was ihr mit mir macht – und übrigens auch mit der Sandy!«
Maier schluckte. Hefele hatte sich jedoch wieder gefangen und setzte sich, noch immer vor Wut schnaubend, wieder auf seinen Platz.
Kluftinger warf Strobl einen eindringlich mahnenden Blick zu. Nun mussten sie sich alle am Riemen reißen, damit diese seltsam aufgeladene Stimmung, die seit einigen Tagen das ansonsten doch eher beschaulich dahinplätschernde Miteinander in der Abteilung belastete, nicht eskalierte. Schuld an allem war
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