Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
gesammelt hatten.
»Geht’s Ihnen nicht gut?«, fragte Kluftinger besorgt. Vielleicht hatte er ihm doch zu viel zugemutet.
»Danke, mir … ich …« Er streckte Hilfe suchend die Hand aus.
Die beiden anderen stützten ihn von beiden Seiten. »Wo ist denn Ihr Rollator?«, fragte Kluftinger.
»Ich dachte, es wird schon wieder besser, aber …« Die Knie knickten ihm ein, und seine Augen verdrehten sich.
»Richie? Eugen? Roland? Ruft’s mal schnell einen Krankenwagen!«, schrie der Kommissar in Richtung Treppe.
»Du, Chef, es gibt Neuigkeiten!«
Kluftinger fuhr zusammen. Er hätte nicht sagen können, wie lange er schon hier gestanden hatte, an den kleinen rosafarbenen Mietwagen gelehnt, den Blick versonnen auf die Allgäuer Bergkette gerichtet, ohne über irgendetwas Spezielles nachzudenken. Er hatte noch auf den Krankenwagen und den Notarzt gewartet, der Rösler mit der Diagnose »Kreislaufkollaps« abtransportiert hatte. Der Kommissar machte sich Vorwürfe, den Alten noch einmal hierhergebracht zu haben. Eigentlich brauchten sie ihn jetzt ja gar nicht mehr. Aber er hatte das Gefühl gehabt, dass der Mann bei der Beschäftigung mit seinem Leib- und Magenthema regelrecht aufblühte. »Was ist los, Richie?«, fragte er, ohne Maier anzusehen.
»Na, du wolltest doch die ganze Zeit wissen, ob es schon neue Erkenntnisse zu den Autodiebstählen gibt. Jetzt hat mich der Max angerufen, der mit der Sache befasst ist: Stell dir vor, die haben in Immenstadt eine ganze Lagerhalle voll mit gestohlenen Wagen ausgehoben! Da sind die meisten wiederaufgetaucht, die in den letzten Wochen geklaut worden sind – und einige dazu, die noch nicht einmal als gestohlen gemeldet waren!«
Mit einem Ruck fuhr Kluftinger herum. »Wiederaufgetaucht, sagst du? Wo soll das genau sein?«
»Keine Ahnung. In Immenstadt, irgendwo in einem Industriegebiet, hat der Max bloß gemeint. Sie haben allerdings nur zwei Typen dingfest machen können, die gerade die Autos aufmöbeln und für den Weiterverkauf präparieren wollten. Von den Hintermännern fehlt bisher jede Spur, sagt er.«
»Sind die noch dort?«
»Die Hintermänner?«
»Die Autos und die Kollegen, Herrgottzack, Richie!«
»Schon, er wollte ja wissen, ob du vorbeikommen und dir alles ansehen willst. Ich hab ihm aber gleich abgesagt, schließlich können wir doch mittlerweile sicher ausschließen, dass ein Zusammenhang zwischen unserem Mordfall und der Autosache besteht, oder?«
Kluftinger schüttelte den Kopf. »Ausschließen, Richie, können wir gar nix! Ich fahr da zur Sicherheit auf jeden Fall hin. Bring die Adresse in Erfahrung. Ich mach mich gleich auf den Weg, ruf mich an, wenn du weißt, wo ich hinmuss!«
Mit diesen Worten stieg Kluftinger in das kleine Auto und schlug die Tür zu. Maiers Angebot, er könne doch mitkommen, überhörte er geflissentlich.
»Maxl, servus!«, begrüßte Kluftinger eine gute halbe Stunde später Max Greiter, seinen Kollegen vom Diebstahl und Raub, also dem Kommissariat für Eigentumskriminalität, wie es offiziell hieß. Greiter war ein sportlich wirkender Mittvierziger, der durch die Funktionskleidung, die er tagaus, tagein trug, und durch das gebräunte Gesicht immer aussah, als käme er gerade von einer Klettertour. Kluftinger hatte das Gefühl, als wolle er dadurch auch zeigen, dass er, der gebürtige Oberstdorfer, der jeden Tag nach Kempten pendelte, aus anderem Holz geschnitzt war als die »Flachlandtiroler« aus dem nördlichen Allgäu. Auch durch einen besonders kehligen Dialekt hob er sich von den Kollegen ab. Der Kommissar konnte ihn dennoch recht gut leiden – vor allem als Erzähler derber Witze bei Weihnachtsfeiern wurde Greiter im Kollegenkreis geschätzt.
»Servus, Kluftinger! Was verschlägt dich hierher ins obere Oberallgäu?«
»Da fühlt ihr euch recht geehrt, wenn ein Kemptener zu euch raufkommt, gell?«, gab der Kommissar zurück.
»Wir sind vor Ehrfurcht jedes Mal geradezu erstarrt! Aber wir haben uns schon vorbereitet, der Maier hat den hohen Besuch ja angekündigt. Schau dich ruhig um hier, aber ich sag dir gleich: Wir haben nur zwei kleine Lichter gefasst, die gerade ein paar Autos fertig gemacht haben für die Überführung. Vermutlich nach Russland. Wer dahintersteckt – und das werden wahrscheinlich die sein, für die du dich am meisten interessierst –, können wir immer noch nicht sagen. Die kleinen Vögelein, die bei uns im Käfig sitzen, haben noch nicht angefangen zu singen.«
Kluftinger nickte. Wer
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