Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
außergewöhnliche Anreise war freilich ein anderer: Falls da oben doch irgendwelche Streifen patrouillieren sollten, so verschafften sie sich auf jeden Fall unentdeckt Zugang.
Er erinnerte sich an die Worte seines Lehrmeisters: Das Problem ist nicht der Bruch, sondern das Wegkommen danach! , hatte er ihm eingetrichtert.
Jetzt spürte er, wie Christophorus den schallisolierten Außenbordmotor drosselte. Fast lautlos glitten sie über die Wasseroberfläche. Das Boot stellte sich in der leichten Strömung quer. Sie waren fast da. Lucia packte die Tasche mit ihren Utensilien fester, Georg begann vorsichtig mit ein paar Dehnübungen, Servatius, Wunibald und Nikolaus starrten in die Nacht. Magnus legte einen Finger auf seinen Mund, auch wenn keiner ein Wort sprach. Das sollte bedeuten: Ab sofort bis zu ihrer Abfahrt würde kein Laut mehr über ihre Lippen kommen.
Das Knirschen der Sandbank unter dem Kiel verriet ihnen, dass sie ihr erstes Ziel erreicht hatten. Sie schwangen sich aus dem Boot; nur Christophorus blieb zurück. Er reckte zum Abschied aufmunternd den Daumen.
Magnus streckte seine Uhr nach vorn, und sie synchronisierten erneut die Zeit. Es kam auf jede Sekunde an. Noch einmal trafen sich ihre Blicke, dann bahnten sie sich ihren Weg zum Waldrand. Auch wenn der fast volle Mond hell schien, war hier in den Bäumen und zwischen all den Nebelschwaden kaum etwas zu erkennen, sie mussten langsam gehen. Am Fuß des Weges, der nach oben auf die Lichtung mit der Ruine führte, trennten sich schließlich ihre Wege.
Magnus klopfte Georg ein letztes Mal auf die Schulter und nickte ihm zu, dann machte sich der kleine, drahtige Mann allein auf den Weg. Er pirschte noch ein Stück weiter am Ufer entlang in Richtung des Steilhangs und blickte hinauf: Sicher, es würde nicht einfach werden, aber das hier war ganz nach seinem Geschmack. Ohne zu zögern, kletterte er in die Wand.
Er war selbst erstaunt, wie wenig Geröll er auf seinem Weg nach oben löste.
Er hing jetzt etwa auf halber Höhe zwischen Ufer und Lichtung, und aus der Ferne musste er aussehen wie ein nachtaktives Insekt an einer Hauswand. Er kniff die Augen zusammen und blickte hinauf: Der Eingang des Schachtes konnte nur noch ein paar Meter entfernt sein. Und tatsächlich, schon zwei Armlängen weiter oben entdeckte er ihn: Es war mehr eine vage gähnende Schwärze, aber es gab keinen Zweifel. Er zog sein GPS -Ortungsgerät aus dem Rucksack. Ihm war schleierhaft, wie seine »Kollegen« früher diese Dinge bewältigt hatten, aber er dachte nicht wirklich darüber nach. Es gab diese Hilfsmittel, und damit war es ein Leichtes, etwa den Verlauf eines unterirdischen Ganges auszukundschaften – dank Kreiselkompass sogar ohne Satellitenverbindung.
Magnus hatte die Idee mit dem Gang gehabt und damit voll ins Schwarze getroffen. »Burgen hatten immer das Problem der Wasserversorgung«, hatte er gesagt und daraus geschlossen: »Bestimmt gab es da mal einen Brunnen und einen entsprechenden Schacht.« Sie hatten ein bisschen nachgeforscht und waren schnell auf historische Berichte gestoßen, die genau das belegten. Einer davon, der von vier mutigen Burschen erzählte, die in der Steilwand diesen Schacht entdeckt hatten, war besonders hilfreich gewesen. Vor wenigen Wochen hatten auch sie den Schacht entdeckt, den genauen Verlauf ausgelotet und dabei festgestellt, dass er bis ganz in die Nähe des Museums führte. Sie hatten das vermutet, besser gesagt: gehofft, aber dass er fast bis zum Haus ging, hatten sie dann doch kaum glauben können. Es war nur noch eine unbedeutende Grabung zu erledigen gewesen.
Er biss die Zähne zusammen. Dieser Job war nur etwas für Leute mit Nerven aus Stahl, dachte er, während er durch die quälende Enge kroch. Er hatte seine Stirnlampe eingeschaltet, auch wenn er eigentlich kein Licht gebraucht hätte. Doch dieser schwache Schein, dieses bisschen Helligkeit beruhigte ihn.
Ein Geräusch ließ ihn innehalten. Es klang wie ein Plätschern. Oder vielleicht … Seine Augen weiteten sich. Er sah, wie Staub von der Decke des Ganges in den Strahl der Lampe rieselte. Die Körner, die sich von der Decke lösten, wurden immer größer. Georg zog den Kopf ein und schlug seine Arme darüber, auch wenn ihm das nur wenig nutzen würde: Wenn der Gang jetzt einstürzte, wäre das nicht nur das Aus für ihr gemeinsames Vorhaben – sondern auch sein Ende. Panik flackerte in ihm auf. So wollte er nicht abtreten. Gehetzt sah er sich um – nein, der
Weitere Kostenlose Bücher