Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
Vom Netzwerk:
Sicherungszentrale aus wurden Stromimpulse an den Schaltkasten gesendet, die wieder zurückgeschickt, also »beantwortet« wurden, wenn alles ruhig blieb. Das Auslösen eines Sensors hätte durch den Stromfluss dieses »Antworten« unterbrochen und sofort Alarm ausgelöst.
    Sie schluckte, dann handelte sie so schnell und gewandt wie ein Pianist, der mit geschlossenen Augen eine komplizierte Komposition spielt, und entfernte anhand einer kleinen Klinge vorsichtig die Kunststoffummantelung zweier Kabel. Dies war besonders diffizil, denn ein Durchtrennen der nur millimeterdicken Kupferdrähte hätte das Ende ihres Unterfangens bedeutet. Sie zog den Draht aus dem Mund und klebte ihn mit Isolierband an die beiden freigelegten Kabel. Schließlich lächelte sie, steckte Klebeband und Klinge weg und nickte zufrieden: Der Bypass war gelegt. Nun wurden die Impulse beantwortet, ohne überhaupt bis zu den Sensoren zu gelangen. Es konnte losgehen.
    Sie ging zurück und gab den anderen ein Zeichen, dass sie nun mit der eigentlichen Arbeit beginnen konnten. Georg und Nikolaus postierten sich draußen an zwei etwa zwanzig Meter voneinander entfernten toten Winkeln und warteten. Lucia ging mit Magnus in den Raum mit den Ringen und Edelsteinen. Servatius blieb im Hauptraum, um zu tun, was er als die eigentliche Krönung ihres Hierseins erachtete: Er sollte den Tresor knacken, in dessen Inneren die Monstranz lagerte. Doch zunächst nahm er den Feuerlöscher von der Wand, der direkt neben der Eingangstüre hing. Er drehte ihn, klopfte darauf und grinste, als es plötzlich hohl klang.
    Mit seinen Fingernägeln zog er eine kleine Klappe auf und entnahm der Flasche ein Kästchen, dann hängte er den Löscher zurück. In einer Ecke kauerte er sich mit dem Gesicht zur Wand zusammen, führte das Kästchen ganz nah an seine Augen heran und legte einen kleinen Schalter um. Darauf sprang ein kleiner Bildschirm an und zeigte die offene Bodenplatte und den Tresor. Servatius war erleichtert. Auch wenn er nicht wirklich daran gezweifelt hatte, stand und fiel mit dieser Aufnahme doch ihr Plan. Und er hatte nicht so recht einschätzen können, inwieweit er Wunibalds Fähigkeiten als Handwerker hatte vertrauen können. Doch offensichtlich hatte der Dicke die kleine Kamera genau so angebracht, wie er es ihm eingetrichtert hatte, denn das Bild war glasklar und zeigte exakt den Ausschnitt, der für ihn so wichtig war: das Tastenfeld der Tresortür. Es dauerte auch nur ein paar Sekunden, dann schob sich eine Hand ins Blickfeld und tippte die Kombination ein. Das war fast zu einfach gewesen, dachte Servatius, als er den Bildschirm ausschaltete und das Kästchen in seiner Tasche verstaute. Dann ging auch er mit traumwandlerischer Sicherheit zum zentralen Verteilerkasten und ließ die Bodenplatte auffahren, was erstaunlich geräuschlos vonstattenging. Mit gierigem Blick sah er auf das schwach grünlich schimmernde Anzeigefeld, das dadurch freigelegt worden war.
    Magnus und Lucia hatten sich vor die Vitrine gestellt. In diesem Nebenraum gab es ein Fenster, und das bisschen Mondlicht, das dadurch hereinfiel, ließ die Ringe silbern glitzern. Dies war der einzige Schaukasten, den sie plündern konnten, ohne dass es bemerkt würde. Jedenfalls bis die Monstranz enthüllt wurde. Und das war Magnus wichtig, denn es würde ihnen ein komfortables Zeitfenster für die Flucht verschaffen.
    Ausgestellt waren hier die zahlreichen Ringe, die man im Laufe der Grabungen gefunden hatte. Viele glichen einander, waren Teil der Aussteuer irgendwelcher adliger Frauen gewesen. Nichts von unschätzbarem Wert, aber ein nettes Zubrot im fünfstelligen Bereich – und wo sie schon mal hier waren … Magnus’ Plan war, genau so viele Ringe an sich zu nehmen, wie möglich war, ohne dass es auffiel. Dazu galt es, die verbleibenden Preziosen wieder symmetrisch und unauffällig anzuordnen. Während Lucia an der Oberseite der Glasscheibe einen Vakuumheber anbrachte, der ein bisschen wie ein großer, alter Telefonhörer aussah, dachte Magnus daran, warum er diesen Job keinem der anderen hatte anvertrauen können: Die Durchführung erforderte ein Höchstmaß an Disziplin. Disziplin, die er nur sich selbst zutraute. War die Vitrine erst einmal offen – was gleich der Fall sein würde, denn Lucia hatte nun die kleinen Hebel umgelegt, sodass sich die Haltevorrichtung an der Scheibe festsog –, hieß es kühlen Kopf bewahren. Nur jeden dritten oder vierten Ring zu nehmen, die übrigen jedoch

Weitere Kostenlose Bücher