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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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so zu verschieben, dass nicht der Eindruck entstand, als würde etwas fehlen – das war nichts für gierige Menschen, und dafür hielt er so ziemlich jeden in dem Team, das er zusammengestellt hatte. Lucia hatte inzwischen die Scheibe heruntergewuchtet. Er hatte ihr nicht geholfen, denn er wusste, dass sie für eine Frau unerhört viel Kraft hatte. Nun begann er mit seinem Teil der Arbeit, der aus seiner Sicht aber noch wesentlich kraftaufwendiger war.
    Erstaunlich leise war auch die Tresortür aufgeglitten, und Servatius musste schlucken, als er die Monstranz im Inneren der Glasvitrine erspürte. Vorsichtig zog er sie heraus und stellte sie neben sich. Anschließend nahm er die kleine Plastikfigur aus seinem Rucksack und stellte sie hinein. Er wusste nicht, was das sollte, hielt nichts von solchen Spielereien und schob es Magnus’ Eitelkeit zu. Aber er hatte auch nicht gewagt zu widersprechen. Er wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Als er die Figur platziert hatte, stand er auf. Schnellen Schrittes lief er in Richtung Garderobe. Die nun folgenden Handgriffe hatte er nicht üben können, sie waren Teil einer kleinen, speziellen Planänderung. Sie mussten einfach funktionieren. Lautlos und schnell.
    Magnus nickte Lucia zu. Es reichte. Doch Lucia deutete auf die Ringe in der Vitrine. Wir können noch mehr nehmen , sollte das wohl heißen. Magnus hatte richtig gelegen mit seiner Vermutung. Er machte eine Geste, die keinen Zweifel daran ließ, dass ihre Arbeit beendet war: Er führte seine Hand zum Hals und zog sie flach daran vorbei, als würde er sich die Kehle durchschneiden. Lucia senkte schuldbewusst den Kopf, griff sich den Vakuumheber, wuchtete das Glas hoch, doch als sie es fast auf Brusthöhe hatte, löste es sich mit einem satten Schmatzen von einem der Saugnäpfe. Lucia erstarrte, aber Magnus war gerade noch rechtzeitig bei ihr, um die Scheibe aufzufangen. Sie verfluchte sich innerlich: Sie hatte nur Augen für die kostbaren Ringe gehabt, nicht daran gedacht, dass sie das Vakuum noch einmal hätte kontrollieren müssen. Diesmal setzten sie die Scheibe gemeinsam an ihren Platz. Schweigend. Es gab weder die Möglichkeit für Magnus, Lucia wegen ihrer Nachlässigkeit anzuschreien, noch einen Weg für sie, sich zu entschuldigen. Doch schließlich legte Magnus ihr eine Hand auf die Schulter, was sie erleichtert als Geste des Verzeihens wertete.
    Just in dem Moment, in dem er seinen Rucksack schloss, hörte Servatius, wie Lucia und Magnus aus dem Nebenraum kamen. Geschafft. Gerade noch rechtzeitig. Servatius wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine kleine Extratour war reibungslos abgelaufen. So schnell und problemlos, wie er es selbst nicht für möglich gehalten hatte. Erst jetzt, da alles geklappt hatte, konnte er die Makellosigkeit und Raffinesse dieses Plans entsprechend würdigen. Er war genial, auch wenn ihm klar war, dass er selbst niemals zu einer solchen Genialität fähig gewesen wäre. Dennoch, man hatte ihn für die Umsetzung gebraucht, sagte er sich zufrieden. Und niemand würde etwas merken … zunächst.
    Georg schloss die Tür, nachdem Lucia den Bypass der Stromversorgung wieder entfernt hatte. Es war ein seltsames Gefühl, nach getaner Arbeit allein zurückzubleiben, doch es gehörte zu diesem ausgeklügelten Plan. Die anderen verschluckte draußen das Dunkel des Waldes, während er die Magnetkontakte wieder an die Tür schraubte, seinen Weg im Dunkeln zurück suchte und in die Toilette ging. Dort konnte er endlich seine Lampe wieder einschalten, und er atmete auf, denn die lange Dunkelheit hatte etwas Zermürbendes an sich. Er ging in die Kabine, schloss sie von innen ab, schaufelte mit den Händen den gröbsten Dreck zusammen und warf ihn in den Mauerdurchbruch. Bevor er sich wieder in das Loch hineinzog, blickte er auf die Uhr: achtundzwanzig Minuten. Länger hatten sie nicht gebraucht, um ein echtes Meisterstück zu vollbringen.

 
    Eine gute halbe Stunde später war bei den Polizisten von dem anfänglichen Schock kaum noch etwas zu spüren. Kluftinger blickte aus der Tür des Einsatzwagens über den Platz vor dem Museum, das bereits fast vollständig geräumt war. Willi Renn hatte lautstark darauf hingewiesen, dass er nur vernünftige Ergebnisse liefern könne, wenn ihm nicht sämtliche Spuren kaputt getrampelt wurden. Jetzt liefen die Eröffnungsgäste auf dem Vorplatz durcheinander oder standen in kleinen Grüppchen zusammen und versuchten in Gesprächen zu

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