Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
wo Ihre Frau gelegen ist!«, forderte Strobl den Mann auf.
Zahn zögerte kurz, dann richtete er sich auf einmal in seinem Rollstuhl auf. Kluftinger zuckte regelrecht zusammen, wurde aber schnell von Maier abgelenkt, der leise, aber durchaus für alle vernehmlich sagte: »Ein Wunder, ein Wunder!«
Strobl und Kluftinger warfen ihm umgehend tadelnde Blicke zu, woraufhin der Kollege kleinlaut zurückgab, man dürfe doch wohl mal noch ein »Späßle« machen.
Zahn schlurfte davon unbeirrt auf die Hebebühne zu, an der Willi und seine Kollegen noch immer zugange waren. Die Polizisten folgten ihm.
»Sind Sie denn gar nicht auf den Rollstuhl angewiesen, Herr Zahn?«, wollte Kluftinger wissen.
»Angewiesen nicht«, brummte der zurück, »aber ich bin mein ganzes Leben schon lieber gefahren als gelaufen. Wieso sollte ich mir diese Annehmlichkeit denn nicht gönnen? Wenn ich denk, was ich früher für Autos und Maschinen gehabt hab! Ich war zweimal bayerischer Meister auf der Sandbahn! Speedway, verstehen Sie? Das kennen Sie heut gar nicht mehr! Aber egal. Also, ich bin hier reingekommen und hab meine Frau da über dem vorderen Querholm von der Hebebühne liegen sehen.«
»Haben Sie denn seitdem hier irgendetwas verändert?«
»Wie, verändert? Ich hab da seit zwanzig Jahren nichts mehr verändert. Das ist noch genau wie vorher! Nur dass sie nicht mehr daliegt halt.«
Jetzt wandte sich Kluftinger an Renn: »Habt ihr euch den Schacht unter der Bühne schon mal angeschaut, Willi?« Er deutete auf die rechteckige Montagegrube, die nur zu einem kleinen Teil mit einem verbogenen alten Gitter gesichert war.
»Mal langsam, Kollege! So weit sind wir noch nicht!«
»Macht es dir was aus, wenn ich da mal selber runtersteige?«
»Wie gesagt, ich glaub nicht, dass wir hier noch viel finden. Aber tu, was du nicht lassen kannst! Und denk dran: Auch deine Erika wird nicht grad begeistert sein, wenn du völlig verdreckt heimkommst!«
»Ich pass schon auf«, wiegelte Kluftinger ab und stieg die wenigen Gitterstufen in den dunklen Schacht hinunter. Unten verlor der Kommissar für einen Moment den Halt. Er krallte sich reflexartig an dem rostigen Geländer fest, um nicht hinzufallen. Mit zusammengekniffenen Augen sah er zu Boden, der bedeckt war von genau dem schmierigen Film aus Altöl und diversen anderen undefinierbaren Substanzen, vor denen ihn Willi gerade gewarnt hatte.
»Kruzinesn! Herr Zahn, haben Sie denn kein Licht hier unten?«, fragte er aus dem Dunkel.
Zahn schüttelte den Kopf.
»Er hat keins!«, gab Maier dienstbeflissen weiter. »Aber wenn du möchtest, dann kann ich dir Licht machen. Ich hab ein Flashlight-App!«
Kluftinger streckte den Kopf aus der Grube: »Was hast du?«
»Ein Flashlight, also … Taschenlampen-App!«
»Ein Epp, soso. Reimt sich verdächtig auf Depp!« Kluftinger sah augenzwinkernd zu Strobl, der seine Lippen zu einem Grinsen verzog. »Also, kann man damit leuchten? Dann will ich’s haben!«
Maier zögerte etwas: »Eigentlich handelt es sich dabei um mein neues Smartphone. Und ich geb so sensible Geräte ungern aus der Hand, noch dazu an Leute, die sich damit absolut nicht auskennen!«
»Alles klar. Dann komm endlich runter und mach’s hell, du … Leuchte!«
Erstaunt stellte der Kommissar fest, dass Maiers Telefon als Not-Taschenlampe tatsächlich ganz passabel funktionierte. Während der in gebückter Haltung das Gerät nahe über dem Boden hin und her schwenkte, suchte Kluftinger die Grube Quadratzentimeter für Quadratzentimeter ab. Als sie etwa ein Drittel hinter sich hatten, beugte sich Kluftinger ruckartig nach unten und stieß mit Maiers Hinterkopf zusammen.
»Herrgott, Richie, geh aus dem Weg mit deinem Quadratschädel, ich hab da was!« Kluftinger klaubte einen Gegenstand vom Boden, der im spärlichen Licht des Telefons wie ein verschmierter Draht, ein Kabel oder ein dünnes Drahtseil aussah. Daneben lag eine zerrissene Kette.
»Ein Kabel in einer Werkstatt, Respekt, Herr Hauptkommissar, wer konnte damit rechnen«, spottete Willi. »Ich schau vielleicht auch noch mal, sicher ist sicher. Wir haben nämlich sogar eine transportable Neonleuchte dabei!«
»Schönen Dank auch, und ich plag mich mit der Funzel ab!«
»Du, ich wollt mich nur nicht einmischen.«
»Aha, alles klar!« Kluftinger fischte die eben geborgenen Teile mit spitzen Fingern vom Boden und hielt sie Zahn vor die Nase. »Was ist das, Herr Zahn?«
Der alte Mann wollte gerade danach greifen, da zog Kluftinger es
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