Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
gewesen, hatte noch nicht einmal erklärt, wer er war. »Ach so, Entschuldigung, hören Sie, ich bin ein Kollege aus Deutschland …«
»Ja, sicher, und ich Kaiser Franz Joseph.«
Kluftinger seufzte. Er hatte keine Lust, sich mit dem Mann noch weiter auseinanderzusetzen. »Hören Sie«, sagte er sachlich, »ich gebe Ihnen jetzt die zentrale Nummer der Kriminalpolizei aus Kempten im Allgäu. Das ist in Deutschland, in Bayern, um genau zu sein. Sie können die Nummer gern auch überprüfen. Rufen Sie doch bitte da an und lassen Sie sich mit Hauptkommissar Kluftinger verbinden, ja? Das wird mich doch entsprechend legitimieren, denke ich.« Er gab die Nummer durch, legte auf und wartete. Nach einer Minute klingelte das Telefon erneut, und er hob mit den Worten »Kriminalpolizeidirektion Kempten im Allgäu, mein Name ist Kriminalhauptkommissar Kluftinger, was kann ich für Sie tun?« ab.
Am anderen Ende blieb es einen Moment still, dann war eine Stimme zu vernehmen, allerdings nicht wie erwartet mit österreichischem, sondern mit niederbayerischem Akzent: »Herr Kluftinga, so lob ich mir dös. Sie learnen’s ja doch no – Respekt!«
»Herr Lodenbacher, ich … ja, wir setzen eben um, was Sie uns auftragen. Sehen Sie, Sie brauchen gar nicht in unserer Nähe zu sein, es läuft trotzdem alles. Jetzt muss ich aber leider auflegen, ich erwarte noch einen Anruf von den österreichischen Kollegen.«
Der Präsident gab ihm noch den Namen eines »hochrangigen« Freundes, wie er betonte, bei der Wiener Polizei durch, bei dem Kluftinger sich notfalls auf ihn berufen könne, dann legte er zufrieden auf.
Sofort klingelte das Telefon wieder, und diesmal war es wirklich der erwartete Anruf aus Wien, allerdings meldete sich diesmal ein sehr viel freundlicher klingender Kollege, der sagte, er werde ihn mit dem Zuständigen verbinden.
Nach einer weiteren Minute in der Warteschleife, die Kluftinger diesmal von der Zithermusik aus Der dritten Mann versüßt wurde, was er angenehm selbstironisch fand, wurde der Hörer erneut abgenommen. Statt einer Begrüßung hörte er jedoch erst einmal seltsame Geräusche, die ihn annehmen ließen, die Leitung sei gestört. Dann identifizierte er sie jedoch als eine Mischung aus Husten, Schnauben und Röcheln, und er verzog angewidert das Gesicht. Erst als Kluftinger schon kurz davor war aufzulegen, sagte eine trotz des exzessiven Räusperns noch immer belegte Stimme: »Bydlinski?«
Kluftinger grinste. Das schien ein recht gängiger Name in Österreich zu sein, denn auch er hatte einmal einen Kollegen kennengelernt, der so hieß und zu dem das unappetitliche Japsen gerade eben auch gut gepasst hätte.
»Guten Tag, Herr Kollege, mein Name ist Kluftinger, ich bin Hauptkommissar bei der Kripo Kempten im Allgäu, Deutschland, ich wollte …«
»Jöh, i werd narrisch, der Klufti! Na, also so was, wirklich, heast!«
Die Irritation Kluftingers über die vertrauliche Anrede währte nur kurz, denn jetzt erkannte er die Stimme wieder, und sofort kehrten die Erinnerungen an die nicht immer ganz einfache Zusammenarbeit mit dem Kollegen zurück. Er hätte allerdings nicht mehr sagen können, ob sie sich geduzt oder gesiezt hatten, deswegen versuchte er eine Anrede elegant zu umschiffen.
»Ja, so was … wie man sich doch manchmal wiedertrifft …«
»Ich find’s leiwand, dass du dich mal wieder meldest. Wie geht’s denn allweil? Und was macht die Sandy?«
Der Kommissar erinnerte sich, dass der Österreicher nach ihrem Fall noch einige Zeit regelmäßig im Allgäu vorbeigeschaut hatte, um dort seine Sekretärin zu besuchen. Sollte er vielleicht der Vater …? Aber was ging ihn das an? An solchen Spekulationen beteiligte er sich nicht – und außerdem hatte er Wichtigeres zu tun. »Gut. Und Sandy geht es auch gut. Den Umständen entsprechend … Aber was machst … machen … was treibt einen Bydlinski nach Wien?« Schließlich hatte der österreichische Kollege damals beim Landespolizeikommando in Innsbruck gearbeitet.
»Mei, ich hab halt Heimweh gehabt. Tirol, das ist auf Dauer nix für einen wie mich! Weißt du, wir Wiener, wir sind einfach ein besonderer Menschenschlag.«
Das ist mir nicht entgangen , dachte Kluftinger. »Ja, schon klar. Und jetzt … ist man für Ausstellungen zuständig?«
»Hm? Wer ist zuständig?«
Der Kommissar sah ein, dass es zu kompliziert werden würde, das Gespräch ohne direkte Anrede zu führen, und entschied sich deshalb, Bydlinskis vertraulichen Ton zu
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