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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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absteigen!«
    »Ich schon.«
    »Das sieht dir ähnlich. Seit wann bist du da?«
    »Seit gestern abend«, log Dill, »spät.«
    »Wie schnell kannst du hier zu mir herauskommen?«
    »Nun, ich weiß nicht recht, Jake, ich –«
    Spivey unterbrach ihn. »Laß mich raten. Eigentlich ist es ja keine bloße Vermutung, oder das sollte es besser nicht sein, nimmt man all das viele Geld, das ich diesen dämlichen Anwälten zahlen muß. Du bist geschäftlich für den Baby-Senator hier, stimmt’s? Verdammt, das sieht dir wieder mal ähnlich, Pick, das Geschäftliche mit deiner Trauer zu verbinden. Na ja, das können wir uns ja bis später aufheben. Gerade jetzt solltest du mit Freunden zusammensein, und du hast hier ja wohl keinen älteren Freund als mich, stimmt’s? Keinen älteren und auch keinen besseren, wenn ich mal so sagen darf.«
    »Du bist ein Juwel, Jake.«
    »Komm mir bloß nicht mit diesen Oldtimer-Ausdrücken. Juwel! Seit zwanzig Jahren habe ich das niemanden mehr sagen hören, vielleicht sogar seit dreißig Jahren, vielleicht sogar noch nie. Aber immerhin ist mir ja auch noch nie jemand untergekommen, ob nun schwarz oder weiß, von dem ich gehört habe, daß er jemandem den Namen Toots angehängt hat. Du hast damals Lila Lee Cady so genannt. Wann war das noch – in der elften Klasse vielleicht? Du erinnerst dich doch noch an Lila Lee?«
    »Ich erinnere mich.«
    »Sie ist so fett geworden wie Schweinchen Dick. Ich sah sie vorletzte Woche über die Straße gehen, sie watschelte – du weißt, was ich meine. Ich habe mich weggedreht, damit sie mich nicht erkennt.« Da war es wieder, sein Lachen, und dann fragte er: »Soll ich dich abholen lassen?«
    »Ich hab einen Wagen gemietet.«
    »Wie schnell schaffst du es hierher?«
    »Ich weiß doch noch nicht mal, wo du bist, Jake. Alles, was ich habe, ist deine Telefonnummer und die Nummer eines Postfachs.«
    »Mein Gott, ja, wir haben uns aus den Augen verloren. Na ja, immerhin muß ich dir nicht erst den Weg beschreiben. Kannst du dir vorstellen, was ich gemacht habe?«
    »Nicht die leiseste Ahnung.«
    »Vor ungefähr sechs Monaten bin ich losgezogen und habe den alten Kasten von Dawson gekauft.«
    »Allmächtiger!«
    »Das ist was, wie? Der kleine alte Jake Spivey, und der lebt jetzt in Ace Dawsons Haus.«
    »Das Herrenhaus von Dawson«, sagte Dill träumerisch.
    »Ja, stimmt genau – so wurde es immer in der Tribune genannt oder? Das Herrenhaus von Dawson. In dem verdammten alten Kasten gab es Termiten. Kannst du dir das vorstellen? Hat mich ein Vermögen gekostet, das Ding wieder bewohnbar zu machen.«
    »Du kannst es dir leisten, Jake – und es genießen. Ich kann mir niemanden vorstellen, der es mehr genießen würde.«
    Spivey stimmte wieder sein mitreißendes Lachen an.
    Dill lächelte, er mußte einfach. Noch immer vor sich hin glucksend, sagte Spivey: »Es hat sechsunddreißig Zimmer, wirklich und wahrhaftig: Sechsunddreißig. Was zum Teufel soll ich denn bloß mit sechsunddreißig Zimmern anfangen?«
    »Du kannst dich in ihnen verstecken.«
    »Du meinst, wenn sie kommen und nach mir suchen?«
    »Klar.«
    »Das wird niemals passieren.«
    »Hoffen wir’s«, sagte Dill.
    »Also, wie lange brauchst du, um hier herauszukommen?«
    »Eine Stunde etwa. Ich muß unterwegs noch mal halten und mir etwas besorgen.«
    »Und was?«
    »Ein Tonbandgerät.«
    »Das wirst du nicht brauchen«, sagte Spivey. »Du kannst eines von meinen benutzen. Ich hab ein gutes Dutzend Bandgeräte.«
    »Na schön«, sagte Dill, »also benutzen wir eins von deinen.«

9
    Im Jahre 1915, zwei Jahre vor dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, kaufte ein wohlhabender Zahnarzt namens Dr. Mortimer Cherry sieben zusammenhängende Stücke Brachland zehn Kilometer nördlich der Stadtgrenze und machte sich daran, den Grundstein für das zu legen, was dann schließlich zum exklusivsten Vorort im ganzen Bundesstaat wurde. Er nannte ihn Cherry Hills.
    Es sollte, so entschied Dr. Cherry, keine schnurgeraden Straßen geben – nur sanft geschwungene Wege, winklige Gäßchen und vielleicht zwei oder drei ausladende Boulevards. Außerdem sollten alle Straßennamen etwas dezidiert Englisches haben: Drury Lane, Sloane Way, Chelsea Drive usw. Die minimale Grundstücksfläche – für diejenigen, die man allenfalls wohlhabend nennen konnte – sollte dreiunddreißig Meter breit sein und fünfzig Meter tief. Die wirklich Reichen durften sich Grundstücke mit einer Fläche zwischen vier und sieben Hektar

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