Schutzwall
›Scheiß drauf‹ und stieg aus.«
»Streichen Sie bitte das ›Scheiß drauf‹ und ersetzen Sie es durch ›Nein danke‹. Das haben Sie dann also gemacht – Sie sind ausgestiegen?«
»Das stimmt.«
»War Mr. Brattle verärgert?«
»Nun ja, er hat nicht gerade Blue Skies geträllert.«
»Gab es auch ernstere Unannehmlichkeiten?«
»Ich mußte mir ein paar Anwälte nehmen, und er heuerte eigene an, und sie geiferten sich alle gegenseitig an; für mich blieb schließlich eine Nettosumme von etwa dreizehn Millionen, alles der IRS gemeldet, von der ich, wie ich vorhin schon gesagt habe, ständig überprüft werde.«
»Wann haben Sie Mr. Brattle zum letzten Mal gesehen?«
»Vor ungefähr anderthalb Jahren.«
»Wo?«
»Kansas City. Er legte mir ein paar Schriftstücke zur Unterschrift vor. Alles reine Routine. Ich flog hin, unterzeichnete sie und nahm einen Drink mit ihm. Dann bin ich hierher zurückgeflogen.«
»Haben Sie ihn seither wiedergesehen?«
»Nein.«
»Es war kurz nach Ihrem Treffen mit ihm, als er aus den USA geflohen ist, richtig?«
Spivey lachte sein lautes, trompetendes Lachen. »Ja, vermutlich sollten Sie besser sagen, daß der alte Clyde irgendwie gezwungen war, sich aus dem Staub zu machen.«
»Das Lachen bitte streichen«, sagte Dill. »Sie wissen natürlich, warum er sich davongemacht hat?«
»Weil sie ihn einsperren wollten, da er mit den falschen Leuten Geschäfte machte.«
»Wo, glauben Sie, hält er sich gegenwärtig auf?«
»Tot«, sagte Spivey.
»Nehmen wir einmal an, er ist nicht tot«, sagte Dill, »nehmen wir einmal an, er wird verhaftet und vor Gericht gestellt. Wären Sie dann bereit, gegen ihn auszusagen?«
»Dazu kann ich zur Zeit keine Erklärung abgeben«, sagte Spivey, fuhr mit der linken Hand unter den Schreibtisch und schaltete das Tonband ab. Er sah Dill eine ganze Weile lang prüfend an. »Du bietest mir Immunität an, Pick?«
Dill nickte langsam.
»Gibst du’s mir schriftlich?«
Dill schüttelte verneinend den Kopf.
»Hab ich ein paar Tage Zeit, darüber nachzudenken?«
Wieder nickte Dill.
Spivey grinste. »Du glaubst wohl, ich hätte noch ein zweites Tonband laufen, wie?«
Dill lächelte und nickte.
11
Sie nahmen ihren Lunch im Speisezimmer der »Familie«, das geräumig genug war, ein geschnitztes eichenes Sideboard aufzunehmen, einen dazu passenden Wandschrank mit Lackschnitzereien an den Türen und einen Tisch für zwölf Personen – oder bis zu sechzehn, sofern man den Platz voll nutzte. Um in das Speisezimmer der »Familie« zu gelangen, führte Spivey Dill durch den »Gesellschafts-Speisesaal«, an dessen Tisch mit Leichtigkeit sechsunddreißig Personen Platz hatten, obwohl Spivey erklärte, daß er ihn nie benutze, da er keine zwei Dutzend Leute kenne, mit denen er sich an einen Tisch setzen und essen wollte.
Sie saßen am äußersten Ende des Tisches, weitab von der Küche oder – wie Dill später feststellen konnte – der Pantry. Das Eßzimmer der »Familie« ging auf den Swimmingpool hinaus, der rechteckig war und in den frühen dreißiger Jahren – als wäre er ein nachträglicher Einfall gewesen – angelegt worden war, ganz kurz bevor die Pools anfingen, die Gestalt von Nieren und Bumerangs anzunehmen. Es war ein großes Schwimmbecken, mindestens vierzehn mal vierundzwanzig Meter, und Dill fand, daß es dem städtischen Schwimmbad ähnelte, wo er und Spivey am Washington Park Schwimmen gelernt hatten.
Spivey saß, mit Dill zu seiner Rechten, am Kopfende des Tisches, als Daphne Owens hereinkam. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt Rock und Bluse. Dill erhob sich, als sie den Raum betrat. Spivey nicht. Sie schenkte Dill einen amüsierten Blick, bei dem er sich aus irgendeinem Grund etwas unbeholfen und linkisch vorkam.
»Wer hat Ihnen Ihre Manieren beigebracht, Mr. Dill?« fragte sie. »Ihre Mama oder die Phi Deltas?«
»Meine Mama«, sagte er.
»Sie war eine nette Dame«, sagte Spivey, »ein wenig–«, er sah Dill hilfesuchend an, »wie ist das passende Wort – distanziert?«
»Eher vage«, meinte Dill.
»Das trifft es auch nicht. Ätherisch, das ist es. Doch, ich vermute, das hat ihr einige Kopfschmerzen erspart, wenn man bedenkt, womit sie sich herumschlagen mußte. Ich meine, mit deinem alten Herrn.«
Dill lächelte und nickte kaum merklich.
»Was hat Ihr Vater gemacht, Mr. Dill?« fragte Miss Owens.
»Er war berufsmäßiger Träumer.«
»Was ist daran so falsch?«
»Das soll heißen, daß man ihn dafür
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