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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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ich. Jedenfalls das erste. Genau weiß ich es nicht mehr.« Seiter stieß eine graue Rauchwolke über das Dach seines Wagens. »Sie wollen nicht Platz nehmen?« Er deutete auf den Innenraum.
    Braig ging nicht auf seine Frage ein. »Sie haben die Briefe aufbewahrt?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Dreck muss man wegwerfen, bevor man selbst anfängt zu stinken.«
    »Warum haben Sie sie nicht der Polizei gezeigt?«
    »Warum sollte ich? Wenn ich auf alle dummen Sprüche, die ich mir am Telefon anhören muss, reagiere, kann ich mir gleich die Kugel geben. Nicht ernst nehmen, ist meine Devise.«
    Braig schüttelte den Kopf. »Das mag bisher gut gegangen sein, aber in einem wirklich heiklen Fall riskieren Sie mit dieser Einstellung Ihr Leben. Wissen Sie wenigstens den Inhalt der Briefe?«
    Seiter inhalierte den Rauch seiner Zigarette, blies ihn von sich. »Ich soll meine Sendung ändern.«
    »Es geht um Ihre Sendung?« Braig schaute verblüfft zu ihm hinüber. Der fahle Schein einer mehrere Meter entfernten Deckenbeleuchtung fiel ihm ins Gesicht. »Was sollen Sie ändern?«
    »Meine Texte, die Musik, alles.«
    »Das stand in den Briefen?« Einen Moment lang überlegte Braig, ob Seiter nicht von einem anderen Erpresser bedroht werde. »Der komplette Inhalt Ihrer Sendungen wurde kritisiert?«
    »Fragen Sie mich nicht nach dem Wortlaut. Aber der Typ setzte mir allen Ernstes eine Frist. Bis Ende September, glaube ich. Wenn ich bis dahin nicht das Ende meiner Sendung öffentlich bekanntgegeben hätte, bedeute das meinen eigenen Exitus.«
    »Es stand nichts in den Briefen, was ihn an Ihrer Sendung stört?«
    »Doch, natürlich. Ich solle endlich aufhören mit meinem Jugendwahn, meiner Anbiederung an junge Leute. Die Welt benötige ältere, erfahrene Menschen, nicht naive Heranwachsende, die noch nicht begriffen hätten, worum es im Leben gehe. Ich hätte kein Recht, Ältere als lahm und verkalkt abzutun und sie jungen Leuten gegenüber als minderwertig zu verunglimpfen.«
    »Das war der Inhalt?« Braig trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, versuchte den Nikotinwolken Seiters, die über dessen Auto zu ihm herüberwaberten, zu entgehen. Er war überrascht von den Ausführungen des Mannes, wusste immer noch nicht, ob sie beide vom selben Täter sprachen.
    »Über mehrere Seiten hinweg ging das so«, sagte der Journalist.
    »Wann haben Sie die Briefe erhalten?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Irgendwann in den letzten Wochen.«
    Braig schaute nachdenklich zu seinem Gesprächspartner hinüber. »Es kann nicht sein, dass ein Teil davon noch in ihrem Papierkorb liegt?«
    Seiter klopfte die Asche von seiner Zigarette, schüttelte den Kopf. »Das ist länger her. Die sind weg. Garantiert.«
    »Sie würden Teile der Ausführungen aber wiedererkennen?«
    »Ich denke schon, ja.«
    »Wir haben dich gewarnt. Du weißt, um was es geht. Wenn du nicht hören willst, wirst du büßen.« Braig musste nicht nachschauen, wusste die Sätze auswendig. Er sah den gebannten Blick des Mannes. »Es kommt Ihnen bekannt vor?«
    »Genau so«, erklärte Seiter, »ganz bestimm! Der zweite Brief. So lautete er.«
    Dann also doch, überlegte Braig. »Wir müssen Sie schützen. Rund um die Uhr schützen!«, sagte er. »Die Sache ist brisant. Von jetzt an werden wir Sie keine Sekunde mehr aus den Augen lassen.«
    Seiter warf seine Zigarette auf den Boden, verdrehte die Augen. »Muss das wirklich sein?«
    »Wenn Sie Interesse daran haben, die nächsten Wochen zu überleben, ja. Ich würde nicht spaßen. Bis jetzt haben wir schon drei Tote.«

27. Kapitel
    Es war spät geworden an diesem Abend. Braig hatte Seiter in seine Wohnung in Böblingen begleitet, im Amt Personenschutz für ihn beantragt und dem Mann den Ernst der Lage klarzumachen versucht. Der Rundfunk-Journalist, der in Scheidung und allein lebte, hatte den Inhalt seiner Zimmer auf den Kopf gestellt und nach Überresten der Briefe gesucht – vergeblich, wie er mehrfach angedeutet hatte. Kurz nach zehn war der überwachende Beamte vor dem Haus aufgetaucht und hatte Braig gegenüber höchste Wachsamkeit zugesichert.
    Die Briefe seien im Abstand von mehreren Tagen mit der Post auf seinen Namen beim Sender eingegangen, wie Seiter sich erinnerte, einen Absender oder auch nur den Stempel habe er nicht erkannt bzw. beachtet. Er habe sie ungeöffnet mit nach Hause genommen, kurz überflogen, dann weggeworfen.
    Braig verabschiedete sich kurz nach zehn von ihm, ließ sich von dem zur Überwachung eingeteilten

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