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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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wurde. Jetzt, wo der andere nicht mehr lebte. Jetzt, wo alles zu spät war. Braig hockte auf seinem Stuhl, erging sich in Erinnerungen und schwermütigen Überlegungen.
    Dass es Anja Wintterlin am späten Abend noch gelungen war, Günther Hesse, den siebten Mann der Liste zu identifizieren, drang erst nach einer Weile zu ihm durch.
    »Anja hat bis kurz vor Mitternacht gearbeitet. Zehn vor zwölf hatte sie den Mann an der Strippe. Seit ein Uhr wird er von Kollegen überwacht«, erklärte Erwin Beck. Er war mit einem Stapel Zeitungen in der Hand in das Zimmer seines Kollegen getreten. »Er hat wohl denselben Brief erhalten wie Seiter. Nach dem zu urteilen, was du berichtet hast.«
    »Den gleichen Brief?«, stöhnte Braig.
    »Schluss mit der Diskriminierung älterer Menschen. Kampf dem Jugendwahn.«
    Braig hatte am Abend zuvor noch von der Wohnung des Rundfunk-Moderators aus die Aussagen Seiters ins Amt durchgegeben und sie allen an den Ermittlungen beteiligten Beamten zustellen lassen.
    »Ihr habt das Schreiben?« Langsam fand er wieder in die Ermittlung zurück.
    Beck schüttelte den Kopf. »Anja ist schon wieder dort und sucht danach. Der Mann scheint völlig die Nerven verloren zu haben, nachdem sie ihm den Ernst der Situation erklärt hat. Hoffentlich hat sie Erfolg.«
    »Was ist Hesse von Beruf?«
    »Geschäftsführer einer Kaufhaus-Kette, wenn ich das richtig verstanden habe. Irgendwann war er in den Schlagzeilen wegen seiner Personalpolitik.«
    Braig wusste nicht, was der Kollege meinte. »Was heißt das konkret?«
    »Ich glaube, er beschäftigt nur noch junge Frauen unter dreißig in seinen Läden. Allen anderen kündigte er.«
    »Weshalb?«
    »Anja wusste es nicht genauer. Ich meine, er wollte den Kaufhäusern ein jugendliches Image verschaffen. Das ist ja
in

    »Ein jugendliches Image? Ist das so wichtig fürs Einkaufen?« Braig schüttelte den Kopf.
    Da war es wieder, das Thema. Ein Geschäftsführer, der nur noch
Frauen unter dreißig
beschäftigte, um seinen Läden ein
jugendliches Image
zu vermitteln. Wozu? War es wirklich sinnvoll, nur jüngere Mitarbeiterinnen einzustellen, verfügten ältere Frauen nicht über wesentlich mehr Erfahrung und Urteilsvermögen, ihre Kunden eingehend zu beraten?
    Braig dachte an die Überwindung, die es ihn jedes Mal kostete, sich ins Gewühl eines Kaufhauses zu begeben und sich der widerlichen Prozedur des Aussuchens und Anprobierens zu unterziehen, weil er nichts Neuwertiges mehr zum Anziehen hatte. Er war nicht im Stande zu beurteilen, ob ihm ein Anzug, eine Hose, eine Jacke wirklich passten, flüchtete sich deshalb bei jedem Kauf in die Arme einer jener älteren Verkäuferinnen, die ihm mit unerschütterlicher Geduld die passendsten Stücke aus ihrem überquellenden Angebot zusammensuchten. Braig hatte mit dieser Einkaufsmethode gute Erfahrungen gemacht. In den letzten Jahren war er dann immer, ohne allzu viel bezahlt zu haben, mit einem ganzen Berg von Kleidungsstücken nach Hause gekommen, sodass er den nächsten Einkauf wieder eine Weile vor sich hatte herschieben können. Wem sollte es also nutzen, nur noch junge Verkäuferinnen zu beschäftigen?
    »Ich glaube, wir haben einen Fehler gemacht.« Katrin Neundorf war wieder ins Zimmer getreten, sah die überraschten Blicke ihrer Kollegen. »Einen dummen Fehler.«
    Braig löste sich aus seinen Gedanken, versuchte sich auf ihre Worte zu konzentrieren. »Was meinst du?«
    »Sie haben eine Gemeinsamkeit. Die Männer von der Liste. Alle Sieben, die wir bis jetzt verifiziert haben.«
    »Ja?«
    »Wir haben uns auf ihr Privatleben konzentriert, ihre Partnerbeziehungen, ihre Familien. Dabei liegt der rote Faden auf einer anderen Ebene.«
    »Du meinst ihre Berufe?«
    »Genau«, sagte Neundorf, »das ist der Punkt. Alle Männer haben nur ein Thema.«
    Er wusste sofort, was sie meinte, hatte es ja nun mehrfach gehört, sich darüber gewundert, es nur nicht ernst genommen.
    »Junge Frauen, junge Mode, junges Leben«, erklärte sie, »da spielt doch ihre Musik, oder?« Neundorf schaute ihn überlegend an. »Konrad Böhler. Wodurch war er in seiner Werbeagentur aufgefallen? Du hast es selbst erzählt. Er krempelte die Kampagnen um, änderte die Zielrichtung, den Adressatenkreis: Fetzig, peppig, jugendgerecht musste plötzlich alles sein. Bekam er deswegen nicht sogar Probleme mit Kollegen?«
    Braig erinnerte sich an seinen Besuch bei Wolfhart Deppner, stimmte ihr zu.
    »Bernhard Hemmer, was war sein Leben? Fernsehshows, Musik,

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