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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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der Hand winkte ihnen von weitem, als sie das Haus der Klavierlehrerin gerade verlassen hatten. Neundorf sah näher hin, erkannte Claudia Steidle sofort.
    »So klein ist die Welt«, sagte die Fotografin.
    Sie grüßten sich, stellten sich gegenseitig vor.
    »Wann haben wir uns zum letzten Mal gesehen?«, grübelte Neundorf.
    »Du hast mich aus Spanien geholt. Wegen der Bilder, die ich in Cheb aufgenommen hatte. Völlinger, du erinnerst dich?«
    Neundorf nickte, wusste wieder Bescheid. Es handelte sich um eine der mühsamsten Ermittlungen der vergangenen Jahre. Fotos eines angeblich pädophilen Ministers waren in die Hände eines Journalisten geraten und drohten die Karriere des Politikers zu zerstören. Als der Zeitungsreporter und ein Kollege Mordanschlägen zum Opfer fielen, schien die Verhaftung des Stuttgarter Regierungsmitglieds unmittelbar bevorzustehen. Erst in letzter Sekunde hatten sie Beweise dafür gefunden, dass die Fotos gefälscht waren.
    »Du hast einen Auftrag?«, erkundigte sich Neundorf.
    Claudia Steidle nickte. »Die Stadtverwaltung sucht stimmungsvolle Motive für einen neuen Werbeprospekt über Crailsheim.«
    »Herzlichen Glückwunsch. Sie haben offensichtlich eine gute Wahl getroffen.«
    »Danke für die Blumen. Ihr seid im Einsatz?«
    Neundorf seufzte laut. »Ein größeres Projekt, ja. Aber anscheinend wieder ohne Erfolg.«
    »Die Sache mit den Giftmorden, wie?«
    Die Kommissarin nickte. »Du hast davon gelesen?«
    »Es lässt sich kaum übersehen. Die Zeitungen schießen sich regelrecht auf eure Ermittlungen ein. Marion Böhler tut mir Leid, sie hat es nicht verdient.«
    Neundorf schaute ihre Gesprächspartnerin überrascht an. »Du kennst die Frau?«
    »Ob ich sie kenne?« Claudia Steidle lachte laut. »Aus welcher Szene hast du mich befreit?«
    Sie hatten sich zu Beginn von Neundorfs Polizei-Karriere kennen gelernt: die eine als junge Kommissars-Anwärterin, die andere als eine auf der Straße aufgegriffene, mit Rauschgift für mehrere Tage frisch versorgte Drogenkonsumentin. Neundorf hatte sich Steidles Geschichte angehört, dann spontan dafür entschieden, die junge Frau entgegen allen gesetzlichen Regelungen auf eigenes Risiko aus ihrem Sumpf zu befreien. Claudia Steidle hatte mitgespielt,
die
Chance ihres Lebens genutzt.
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »›Der Engel der Drogensüchtigen‹. Dir ist das kein Begriff?«
    »Marion Böhler?«
    »Okay, nur in internen Kreisen, zugegeben. Vielleicht wissen nicht einmal deine Kollegen vom Drogendezernat von ihr. Aber sie gilt als Engel. Jedenfalls im Kreis ihrer Jungs.«
    »Seit wann tut sie das?«
    Claudia Steidle schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Mehrere Jahre jedenfalls. Hat sie nicht einen Laden?«
    »Was für einen Laden?«
    »Eine Apotheke. Was sonst?«
    »Sie arbeitet dort, ja. Du meinst …«
    »Ich meine gar nichts. Ich weiß nur, dass sie ihren Jungs kostenlos Ersatzstoffe besorgt. Und Schmerzmittel. Alles, was du in dem Zustand brauchst.«
    »Kostenlos?«
    »Vollkommen. Sie gilt als Engel. Für alle, um die sie sich kümmert. Aber soweit ich gehört habe, sind es immer nur wenige. Damit sie die Leute im Auge behalten kann, ob sie wirklich bereit sind auszusteigen.«
    »Warum macht sie das?«
    »Warum?« Claudia Steidle lachte leise. »Geh hin und frag sie. Warum hast du mir aus der Scheiße geholfen? Glaubst du, ich hätte mein neues Leben geschafft ohne dich?« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt sie noch, die Engel. Du musst nur deine Augen öffnen, damit du sie sehen kannst.«

36. Kapitel
    Kurz nach 18 Uhr trafen sie sich zur Besprechung in Hofmanns Büro. Braigs neue Erkenntnisse, dazu die Information über den erst in letzter Sekunde misslungenen neuesten Mordversuch hatten alle an den Ermittlungen Beteiligten aufhorchen und in ein wechselseitiges Bad der Gefühle stürzen lassen: Die Erleichterung, die Täterin endlich identifiziert zu haben, wurde von der vehementen Kritik der Medien und der Öffentlichkeit getrübt, noch vor wenigen Stunden auf eine völlig anderes Geschlecht fixiert gewesen zu sein.
    Der Oberstaatsanwalt hatte auf einer um 17.30 Uhr einberufenen Pressekonferenz gemeinsam mit Beck und Felsentretter versucht, rückhaltlose Informationen über die neuesten Erkenntnisse zu geben und die Gemüter zu beruhigen. Die Vorwürfe der Journalisten konterte er mit der Zusicherung, Katja Dorn nunmehr endgültig als die Person überführt zu haben, welche die drei Männer vergiftet und zudem heute den Anschlag auf

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