Schwaben-Angst
unmittelbar vor dem Bagger zur Seite sprang und von ihm weiter über den Platz gejagt wurde, was vor ihm ablief. Das blaue Gefährt verfolgte den Regisseur in Richtung Burg, streifte ein Auto, das dort abgestellt war, rollte schwankend über irgendwelche Kisten weg, die samt Inhalt krachend unter seinen Reifen zersplitterten, schwenkte dann um in Richtung der Wiese, die sich neben der Burg den Abhang hinunter erstreckte. Schwank hatte das Megaphon längst weggeworfen, sprang auf den Kran zu, der am Rand der Festungsmauer hochragte.
Braig drückte sich unter der Absperrung durch, sah wenige Meter weiter Felsentretter in offener Auseinandersetzung mit einem der privaten Wachmänner. Der Uniformierte versuchte den Kommissar festzuhalten, rief einen seiner Kollegen zu Hilfe. Felsentretter schlug auf den Mann ein, riss sich los, wurde von hinten an seiner Jacke gepackt. Als Braig sich umdrehte, sah er gerade noch, wie sein bulliger Kollege einem der Sheriffs einen kräftigen Haken verpasste und der Mann taumelnd zu Boden ging. Menschen schrien auf. Felsentretter löste sich vollends, stürmte auf den hell erleuchteten Platz.
Braig rannte quer über das menschenleere Areal, sah den Bagger unmittelbar vor sich. Das monströse Gefährt hatte Schwank fast erreicht, als der Regisseur nach rechts abdrehte. Er spurtete zu dem Kran, versuchte hochzuklettern, rutschte aus. Der Bagger stoppte, heulte erneut auf, setzte sich ruckartig wieder in Bewegung. Schwank starrte mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen auf die Maschine, riss sich mühsam vom Boden hoch. Dem Mann blieb kein Ausweg mehr. Er rannte los, wenige Zentimeter am Kran vorbei, sprang in Richtung der Wiese direkt auf den Abhang zu. Der Bagger raste hinter ihm her, erreichte den Kran, blieb mit seiner hoch erhobenen Schaufel in dessen Stahlgeflecht hängen. Der Motor heulte laut auf, Auspuffschläge hallten knatternd in die Umgebung.
Braig sah, wie der Baggerführer mehrfach vergeblich versuchte, die Schaufel von dem Kran zu lösen. Der weit ausgefahrene Arm verhedderte sich immer mehr in den Stahlsprossen, brachte das hoch aufgerichtete Monstrum ins Schwanken. Der Kameramann über ihm schrie aus Leibeskräften; sein Korb jagte wie eine Schaukel ungestüm hin und her.
Gerade in dem Moment, als Braig den Bagger erreichte, tauchte Schwank vor ihm auf; er packte seinen Arm, versuchte ihn an sich zu ziehen, verlor den Halt, prallte der Länge nach auf den Boden. Der Bagger vor ihm stampfte und tobte, schwankte nach links, dann nach rechts.
Braig spürte die Schmerzen in seinem rechten Knie, versuchte mühsam hochzukommen. Plötzlich erfüllte ohrenbetäubendes Knirschen die gesamte Umgebung. Er blickte auf, sah, wie der Baggerarm in dem Stahlgeflecht des Krans wütend hin- und herwühlte, die aufgerichtete Konstruktion immer stärker ins Wanken brachte. Die Schreie des Kameramanns waren von purer Todesangst gezeichnet, Teile seines Arbeitswerkzeugs klatschten wie gefährliche Geschosse rings um Braig auf den Boden, zersplitterten in kleinste Partikel.
Braig riss sich vom Asphalt hoch, versuchte sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen, stolperte über Schwanks Fuß. Er sah, wie sich ein großes, schwarzes Objektiv aus dem Korb löste und direkt auf ihn zuflog, warf seinen Körper zur Seite. Unmittelbar neben ihm prallte das in Metall eingefasste Glas auf den Boden, zerbarst wie bei einer Explosion. Braig spürte die Glassplitter auf seinem Rücken, sah die verzweifelten Gesten des Kameramanns. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis es den Mann samt seiner Kamera aus dem Korb katapultierte.
Braig zog sich vom Boden hoch, versuchte, den Regisseur neben sich mitzureißen, hörte, wie der Motor des Baggers von einem Augenblick auf den anderen plötzlich verstummte. Er blickte erstaunt auf, sah Neundorf und Felsentretter mit weit ausgestreckten Armen, die Waffen schussbereit in den Händen unmittelbar vor dem Bagger stehen und direkt auf die Kabine zielen. Das Glas des Führerstandes reflektierte das grelle Licht der Scheinwerfer, nur schemenhaft waren die Umrisse der Person auszumachen, die hinter dem Steuer saß. Braig richtete sich langsam auf, versuchte mit seinem Blick ins Innere der Kabine vorzudringen.
»Geh zur Seite«, brüllte Felsentretter, »oder ich knalle das Schwein ab.«
Braig erhob sich vollends, schob sich am Vorderrad des Baggers vorbei, sah, wie die Person im Führerstand einen kleinen Gegenstand an den Mund hielt, sich zurücklehnte
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