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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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allein?«
    »Ja.« Sie schwieg einen Moment, überlegte. »Es sei denn, die Manager des jeweiligen Senders verlangen bestimmte Stars. Aber das hängt dann davon ab, wie viel sie zu zahlen bereit sind.«
    »Ein angenehmer Job für Herrn Hemmer. Ich nehme an, es gibt genügend Leute, die in einer dieser …«, er zögerte, entschied sich dann für einen anderen Ausdruck, »Veranstaltungen mitwirken wollen? Ich meine, als Statisten, Tänzer oder so?«
    »Oh ja, natürlich.« Nicole Liebs Stimme drohte sich zu überschlagen. »Wir haben so viele Bewerberinnen und Bewerber, dass wir nur einen Bruchteil davon nehmen können.«
    »Welche Qualifikationen müssen die Leute mitbringen, um ausgewählt zu werden?«
    »Das müssen Sie Bernie, Herrn Hemmer fragen. Die Entscheidung trifft er …« Sie verstummte mitten im Satz, wurde sich bewusst, was sie sagen wollte, begann heftig zu schluchzen.
    In Braig wuchs Ungeduld, er war nicht gewillt, sich noch länger mit derart naiven Sprüchen hinhalten zu lassen. »Musste man mit der Rache abgelehnter, vielleicht mehrfach zurückgewiesener Bewerber rechnen? Menschen, denen Hemmer das Blaue vom Himmel versprochen, die sich in ihrer Phantasie bereits vollständig in ihre vermeintliche Rolle als zukünftige Showstars hineingesteigert hatten, von ihm aber schnöde abgewiesen worden waren?«
    Er konnte sich vorstellen, dass in solchen Momenten der Enttäuschung ungeahnte Emotionen freigesetzt, eventuell ganze Lebensperspektiven relativiert oder zerstört wurden. In einer so eindimensional auf Äußerlichkeiten fixierten Gesellschaft wie der unseren bleibt es wohl nicht aus, dass manche Menschen sich voll und ganz in eine Zukunftshoffnung hineinträumen, die ihren Sinn allein darin sehen, von anderen verehrt, begehrt, ja vergöttert zu werden, um dadurch die eigene Bedeutungslosigkeit aufzuwerten. In der Öffentlichkeit Berühmtheit zu erlangen, die Maske des Erfolgs nach außen zu tragen, gleichgültig, wie substanzlos der Kern der übermittelten Botschaft auch sei, schien immer deutlicher zur zentralen Forderung dieser neuen Zeit zu werden. War Hemmer mit einem Fanatiker kollidiert? Braig fühlte sich in diesem Metier nicht zu Hause.
    Er beschloss, seine Fragestellung zu konkretisieren: »Gab es Drohungen gegen Herrn Hemmer oder die Firma?«, erkundigte er sich, nachdem sich Nicole Lieb wieder halbwegs beruhigt hatte.
    Sie ließ einen tiefen Seufzer hören, bearbeitete ihr Gesicht immer noch mit dem weißen Tuch. »Drohungen, warum?«, fragte sie schließlich. Von Unannehmlichkeiten dieser Art schien sie bisher verschont geblieben zu sein.
    »Von Personen, die von Herrn Hemmer als Bewerber abgelehnt wurden, etwa«, erklärte er, »oder von Leuten, die sich von ihm nicht korrekt beurteilt fühlten.«
    Nicole Lieb schüttelte den Kopf. »Warum sollte uns jemand drohen? Dass wir ihn in einer Show auftreten lassen müssten?«
    »Zum Beispiel, ja.«
    »Davon ist mir nichts bekannt. Herr Hemmer ist nicht«, sie bemerkte ihren Fehler, stockte, sprach nach einer kurzen Pause weiter, »er war nicht zu beeinflussen. Von so etwas schon gar nicht.«
    Braig musste insgeheim lachen, weil er an die Worte Regine Hemmers dachte. Der Mann war nicht zu beeinflussen, nein. Bettgeschichten ohne Ende, aber er war völlig neutral in seinem Urteil. Möglicherweise hatte kaum eine der jüngeren Frauen ohne Bereitschaft zu aktiver Matratzenakrobatik eine Position in einer der angestrebten Shows erhalten, aber diese Einsatzfreude schien den Worten Nicole Liebs zufolge nicht sonderlich erwähnenswert, eher Grundvoraussetzung zu einer Karriere in diesem Metier zu sein.
    Braig schüttelte den Kopf, hatte genug von Sprüchen dieser Art. Er musste sich der beruflichen Seite des Mannes auf eine andere Art und Weise nähern, wollte er eventuelle Ursachen einer Bedrohung Hemmers erkennen. »Wo ist das Büro Ihres Chefs? Ich möchte es mir einmal ansehen.« Er fragte nicht, ob sie es erlaube, nahm das Recht dazu ungefragt für sich in Anspruch.
    Die junge Frau akzeptierte seinen Wunsch ohne Widerspruch, zeigte auf die Tür gegenüber ihres Schreibtischs
    Braig erhob sich, trat in den Raum. Er war mindestens dreimal so groß wie das Zimmer der Sekretärin, zeigte hohe, weiße Wandschränke mit gläsernen Türen, hinter denen Aktenordner neben Aktenordnern aufgereiht waren, einen riesigen, hellen Schreibtisch mit Computer und unzähligen Stapeln von Blättern, Postern und Fotos, dazu ein kleines Sofa mit einem runden Tisch.

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