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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Große Fenster ermöglichten einen weiten Blick über das Geschehen auf der Straße.
    Braig wandte sich dem Schreibtisch zu, sah die Papiere, Poster, dann die Fotos durch, merkte, dass die Stapel entgegen dem ersten Eindruck in penibler Ordnung nach verschiedenen Sachgebieten getrennt waren. Auf der einen Seite Bewerbungsschreiben unterschiedlicher Interessenten, fein säuberlich in Kurzbiografie, besondere Talente sowie bereits erfolgte Show-Auftritte und Ganz-Körper-Fotos gegliedert, daneben Bedarfslisten mehrerer Veranstaltungen mit Datum, Uhrzeit, Ort des Geschehens sowie der genauen Schilderung der benötigten Personen.
    Braig nahm sich Stapel für Stapel vor, blätterte sie jeweils bis zur Hälfte durch, stellte fest, dass die Papiere nach Alter und Geschlecht sortiert waren. Frauen im Alter von 15 bis 40, wie er auf den ersten Blick schätzte, bildeten den Großteil der vorhandenen Bewerbungen; viele der Fotos zeigten nur mäßig bekleidete, ihre weiblichen Formen vorteilhaft präsentierende Gestalten. Er merkte, dass die auf den Postern angepriesenen Veranstaltungen alle erst noch stattfinden sollten, fand einen weiteren Stapel von Papieren, der ausnahmslos unterschriebene Verträge mit Sängern, Tänzern und Statisten enthielt, die Leistungen innerhalb der nächsten Wochen und Monate beinhalteten. Persönliche Post war nicht zu finden.
    Braig wechselte zu den Wandschränken, öffnete die Glastüren, nahm einige der Ordner in die Hand. Wieder Verträge mit Sängern, Tänzern, Statisten, alle aus dem vergangenen Jahr datiert. Er kannte nicht einen der aufgeführten Namen. Braig war sich bewusst, dass das nichts über den Marktwert oder die Attraktivität der Künstler aussagte. Manch einer der hier aufgeführten Namen mochte allein durch seine Erwähnung Scharen von Teenies oder gereiften Omas in Stürme der Begeisterung versetzen, während er selbst noch nie von dieser Person gehört hatte. Vielleicht waren es wirklich Prominente, deren Verträge er hier vor sich liegen sah, vielleicht nur völlig unbekannte Möchtegern-Sternchen, er konnte es nicht beurteilen, wollte sich die Leute nicht näher ansehen. Ihn interessierte nur, ob eine der Personen in irgendeiner Weise relevant für die Aufklärung des Mordes an Bernhard Hemmer war.
    Braig sah die Ordner stichprobenartig durch, spürte, wie sich seine Kopfschmerzen zurückmeldeten. Papier auf Papier zeigte denselben Inhalt: Name der Person, Erklärung der dargebotenen Leistung, Ort und Dauer der Veranstaltung, Datum, Summe der Vergütung, Einverständniserklärung mit den Bedingungen des Produzenten, Unterschrift. Mehr und mehr verschwammen die Ausführungen vor seinen Augen, registrierte sein Gehirn nur noch bruchstückhaft, was er vor sich liegen hatte.
    Er schob die Ordner wieder in die Schränke zurück, trat an den Schreibtisch, öffnete die beiden Schubladen, die unter der breiten Platte angebracht waren. Keine war verschlossen, obwohl sie großenteils private Unterlagen enthielten: Zigaretten, Tabletten, Salben, Rasierwasser, mehrere Schachteln mit Kondomen. Wahrscheinlich eines der wichtigsten Arbeitsmaterialien des Herrn Hemmer, schoss es Braig durch den Kopf. Er studierte die Beschreibung der vorhandenen Arzneimittel, stellte fest, dass es sich größtenteils um Schmerz- und Vitaminpillen handelte.
    Die untere Schublade enthielt nur einen Ordner, neutral, ohne Aufschrift. Braig zog ihn heraus, legte ihn auf die Schreibtischplatte.
Leitz
prangte in kleinen fetten Buchstaben auf seiner linken Ecke.
    Er schlug den Kartondeckel zur Seite und unterdrückte einen Schrei. Was vor ihm lag, sah er nicht zum ersten Mal. Papier und Schrift waren ihm genauso bekannt wie der Inhalt des Textes.
    Braig ließ das Blatt liegen, sprang zur Tür. Nicole Lieb saß in Gedanken versunken auf ihrem Stuhl.
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, sagte er.
    Die Frau zuckte zusammen, zitterte am ganzen Körper.
    »Verzeihung, ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    Sie erhob sich wie in Trance, lief um ihren Schreibtisch, blickte fragend zu ihm auf. Das Blau der Wimperntusche hatte sich über ihr ganzes Gesicht verteilt. »Wo?«
    Er führte sie ins Zimmer ihres ermordeten Chefs, zeigte auf den aufgeklappten Ordner. »Der Brief. Bitte berühren Sie ihn nicht. Verstehen Sie? Nicht berühren.«
    Sie näherte sich dem Schreibtisch, zeigte auf das Papier. »Das hier?«
    Braig nickte. »Wissen Sie, wann er kam und wer ihn gebracht hat?«
    Sie stand vor dem Ordner, starrte auf das Blatt,

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