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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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hier.«
    »Sehr gut. Du weißt schon Bescheid?«
    Braig sah, dass Frau Schweishilbner ihm etwas mitteilen wollte, bat Neundorf, einen Moment zu warten.
    »Ich habe die Adresse. Soll ich sie ausdrucken?«
    »Bitte, ja.«
    »Hoch wurde von einer Frau Berg beliefert«, sagte Braig zu seiner Kollegin. »Die Frau arbeitet allerdings nicht mehr hier. Vor vierzehn Tagen wurde sie entlassen.«
    »Entlassen?« Er glaubte, durchs Handy hören zu können, wie es in Neundorfs Gehirn arbeitete. »Weshalb?«
    »Sie war zeitweise wohl den Anforderungen nicht mehr gewachsen.«
    »Das hast du schön formuliert.«
    »So etwa wurde es mir erklärt.«
    »Ja«, sagte Neundorf, »die Sprüche sind bekannt. Weggeworfen wie alter Schrott. Nur, dass es sich dabei zufällig um einen Menschen handelt.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts. Nur, dass zum Müll geworfen zu werden für jeden Menschen eine schreckliche Erfahrung bedeutet. Auf die man verschieden reagieren kann. Die meisten mit Frust, Resignation, Enttäuschung, Apathie. Einige wenige aber mit verstärkter Aggression, Wut, Hass, Rache.«
    »Du glaubst, die Frau könnte es sein?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Neundorf. »Aber wenn ich zum Müll geworfen werde, sind meine Emotionen ganz schön aufgemischt. Und wie ich da reagiere, weiß ich jetzt nicht.«
    Braig verstand, was sie meinte, stimmte ihr insgeheim zu. Entlassen zu werden, gleich aus welchem Grund, seinen Beruf, die Lebensgrundlagen zu verlieren, bedeutete einen eklatanten Einschnitt. Einen aggressiven Akt, den kein Mensch einfach wegzustecken im Stande war.
    »Du hast ihre Adresse?«, fragte Neundorf.
    Braig sah, wie das Blatt aus dem Drucker quoll, ließ es sich reichen.
    »Moment! – Ja, jetzt: Beate Berg, Ludwigsburg, Lindenstraße.« Er nannte ihr die Hausnummer, hörte Neundorfs aufgeregte Stimme.
    »Ich komme sofort. Wir gehen gemeinsam zu der Frau. Kannst du derweil bitte überprüfen, ob wir sie im Computer haben?«
    Braig versprach, dies zu tun, merkte, dass Neundorf die Verbindung bereits beendet hatte. Beate Berg, überlegte er, entlassen, weil sie das erforderliche Tempo ihres Berufes nicht mehr schaffte.
    »Wie alt ist Frau Berg?«, fragte er. »Haben Sie ihre Daten gespeichert?«
    Monika Schweishilbner nickte, konzentrierte sich auf den Bildschirm. Sie gab den Befehl zur Beantwortung von Braigs Frage ein, hatte dann die Zahl parat. »Vierundfünfzig. Geboren am 25. September.«
    »Am 25. September?« Braig stutzte. »Dann wurde sie wenige Tage vor ihrem Geburtstag entlassen.«
    Seine Gesprächspartnerin sah verblüfft zu ihm hinüber. »Daran habe ich bisher noch nicht gedacht.« Sie schien betroffen von dem Schicksal der Frau. »Das macht das Ganze wohl noch schlimmer.« Anfang, Mitte fünfzig, zu langsam für die Anforderungen des Berufes, gefeuert, kurz darauf der Geburtstag. Ein Zufall wohl, doch vielleicht nicht ohne Folgen. Kaum ein Mensch im fortgeschrittenen Alter, der an solchen Tagen nicht auf sein bisheriges Leben zurückschaut, den Sinn, das Erreichte, die negativen und positiven Momente der Vergangenheit, die Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen, die Zukunft im Blick. Ein emotionaler Ausnahmezustand allemal, Tage, die besondere Belastungen für die Seele, das Gemüt mit sich bringen, es sei denn, die familiären Umstände der betroffenen Person vermochten sie von all diesen Gedanken abzulenken.
    »Haben Sie eine Ahnung, ob Frau Berg verheiratet ist?«
    Monika Schweishilbner legte ihre Stirn in Falten. Sie starrte auf den Monitor, schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, sie ist geschieden.«
    Braig wusste nicht, was er noch fragen sollte, bedankte sich für die freundliche Auskunft. »Sie wissen nicht zufällig, wo ich die Straße finde?«
    Sie reichte ihm einen Stadtplan, zeigte die Richtung, der er folgen musste. »Keine fünfhundert Meter von hier.«
    Er verabschiedete sich, wies sie darauf hin, dass er sich eventuell noch einmal bei ihr melden würde, falls er weitere Auskünfte benötige, lief die Treppe abwärts. Im Eingangsbereich des Gebäudes blieb er stehen, fragte per Handy im Amt an, ob sie Informationen über Beate Berg zur Verfügung hätten. Die Antwort kam innerhalb von Sekunden: Die Frau war nicht gespeichert.
    Braig verließ das Haus, folgte der auf dem Stadtplan ersehenen Richtung, hatte die Lindenstraße nach wenigen Minuten erreicht. Sie lag am unmittelbaren Rand der Innenstadt, zeigte gleichförmige, zwei- bis dreistöckige, von dunkelroten

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