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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Ziegeldächern bedeckte Häuser. Feiner Nieselregen tauchte alles in nebligen Dämmer. Braig hatte Mühe, die Hausnummern zu erkennen, tastete sich mit aufgespanntem Schirm und zusammengekniffenen Augen von Gebäude zu Gebäude. Als er das gesuchte Haus fast erreicht hatte, hörte er Neundorfs Rufen hinter sich. Sie näherte sich mit schnellen Schritten.
    »Haben wir die Frau im Computer?«, rief sie mit keuchendem Atem.
    Braig blieb stehen, wartete, bis sie ihn erreicht hatte. »Fehlanzeige, nein.«
    Sie gab ihm wortlos die Hand, holte tief Luft. Ihre Haare trieften vor Nässe, Regentropfen perlten über ihre Wangen. Braig streckte seinen Arm aus, hielt den Schirm schützend über sie.
    »Zu spät!«, lachte sie, schüttelte sich erneut: »Hast du noch etwas über sie erfahren?«
    »Sie ist vierundfünfzig, wahrscheinlich geschieden, hatte Ende September Geburtstag.«
    »Vor wenigen Tagen?« Seine Kollegin schüttelte weiter die Nässe aus den Haaren, schaute überrascht zu ihm auf. »Kurz vor ihrer Entlassung.« Sie pfiff durch die Zähne. »Jetzt fehlt nur noch die Verbindung zu Hemmer und Böhler.«
    »Vielleicht waren die beiden an dem Kurierdienst beteiligt.«
    »Hast du danach gefragt, wem das Unternehmen gehört?« Er schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid. Daran habe ich nicht gedacht. Ich vergesse viel zu viel zur Zeit.
    »Überarbeitung«, tröstete ihn die Kollegin.
    Zwei Autos fuhren hintereinander her durch die Straße, spritzten kleine Fontänen schmutzigen Wassers zur Seite. Braig sah ihnen nach, bemerkte die aufmerksamen Augen der Fahrer, die sich mühsam zu orientieren suchten. Die Umrisse der weiter entfernten Gebäude tauchten nur schemenhaft aus dem Regenschleier.
    »Lass uns mit der Frau reden«, sagte Neundorf. »Vielleicht kann sie uns erklären, wie der Kuli in die Kirche kam.« Sie wischte sich mit dem Handrücken die Feuchtigkeit von Stirn und Wangen, zeigte auf das übernächste Haus, dessen Nummer die Wohnung Beate Bergs ankündigte.
    Braig nickte, folgte ihr zu dem Gebäude. Es hatte eine grau verblasste Fassade, auf einem Metallschild gab es vier verschiedene Namen.
Berg
stand an oberster Stelle.
    »Wir sind richtig«, sagte sie, drückte auf den Knopf.
    Die Glocke war kurz aus dem Obergeschoss zu hören, ging dann aber im Geräusch eines vorbeifahrenden Autos unter. Neundorf wartete, bis das Fahrzeug verschwunden war, merkte, dass sich nichts regte. Sie starrte nach oben, spürte sofort wieder feine Tropfen in ihren Augen. Der Regen machte es unmöglich, mehr zu erkennen.
    Zwei Männer liefen vorbei, Kapuzen über den Kopf gezogen. Neundorf schaute ihnen nach, drückte erneut auf die Klingel, starrte wieder nach oben. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, hinter einem der Vorhänge eine Bewegung wahrgenommen zu haben.
    »Ich glaube, wir werden beobachtet«, sagte sie.
    »Von oben?«
    Sie nickte.
    »Dann versuchen wir es noch mal«, erklärte Braig. Er lehnte sich an die Tür, wollte läuten, spürte, wie die Tür nachgab. Überrascht drückte er sie vollends auf, faltete den Schirm zusammen. Das Wasser rann in feinen Strömen auf den Boden, ließ innerhalb weniger Sekunden kleine Lachen im Eingangsbereich des Hauses entstehen. Neundorf drückte ein drittes Mal auf die Klingel, folgte Braig ins Innere.
    Die Treppe führte mit hellen Marmorimitatstufen rechteckig nach oben. Sie folgten ihr ins erste Obergeschoss, sahen den Namen neben der linken Tür, auf der Seite, wo sich der Vorhang bewegt hatte. Neundorf klopfte, rief laut nach der Wohnungsinhaberin. »Frau Berg, öffnen Sie endlich die Tür!«
    Das Geräusch aus dem Inneren war nicht zu überhören. Ein heftiger Schlag, dann ein Klirren, als sei eine Tasse oder ein Teller auf dem Boden zerschellt.
    Braig wollte gerade auf die Klingel neben dem Namensschild drücken, als die Tür abrupt geöffnet wurde. Ein mittelgroßer Mann in sportlicher Kleidung stand vor ihnen. Lange, dunkelblonde Haare, ein weites, grün-weiß gestreiftes Sweat-Shirt, blaue Jeans. Seine Backen glänzten kräftig rot, wie frisch eingecremt. Der prüfende Blick, mit dem er zu den beiden Personen vor sich aufschaute, ließ deutliches Misstrauen erkennen.
    »Ja?«, fragte er kurz, mit einer seltsam heiseren Stimme, ließ seine Augen vom einen zum anderen gleiten, wartete ungeduldig auf eine Erklärung ihres Besuches.
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagte Braig, nannte seinen Namen, verzichtete aber impulsiv auf die Erwähnung seines Berufs, »wir

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