Schwaben-Angst
suchen Frau Berg. Ist sie zu Hause?«
Der Mann starrte sie mit großen Augen an, schien kurzzeitig verblüfft. »Oh, das ist aber schlecht«, sagte er, nachdem er sich wieder gesammelt hatte, »Frau Berg ist im Moment nicht hier.« Er drohte, ins Stottern zu geraten, fing sich dann aber. Seine Stimme schien deutlich angeschlagen.
»Wann kommt sie wieder?«
»Das kann ich nicht genau sagen. Sie ist einkaufen. Drei, vier Stunden wird das schon noch gehen.«
»So lange?«
»Sie ist in Stuttgart, sucht nach Kleidung. Sie wissen ja, wie Frauen so sind.« Er versuchte ein schiefes Lächeln, ließ es aber sein, als er Neundorfs eisigen Blick bemerkte.
»Und Sie? Wer sind Sie?«, hakte die Kommissarin nach.
Der Mann trat einen Schritt zurück. »Darf ich wissen, was Sie das angeht?«, fragte er mit heiserer Stimme.
Sie zog ihren Ausweis, hielt ihn ihm entgegen. »Landeskriminalamt«, sagte sie.
Der Mann ließ keine Reaktion erkennen. »Bauer«, erklärte er, »Herbert Bauer. Frau Berg und ich sind befreundet. Gut befreundet.«
Neundorf nickte, steckte ihre Karte wieder ein. »Wir hätten Frau Berg gern gesprochen.«
»Ich werde es ihr ausrichten. Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben, wird sie sofort zurückrufen, sobald sie hier ist.«
»Wir können warten, das ist kein Problem.« Sie deutete ins Innere der Wohnung, schickte sich an, sie zu betreten.
Herbert Bauer hielt abwehrend seine Hände hoch. »Es tut mir Leid, aber das geht nicht. Ich muss weg, bin auf dem Sprung. Deshalb habe ich auch nicht sofort geöffnet, weil mir die Zeit fehlt. Ich wollte mich nicht unnötig aufhalten lassen.« Er lächelte, ein breites, offenes Lachen. Seine Backen glänzten rot.
Neundorf nickte, signalisierte Verständnis. »Dann wollen wir Sie nicht länger behelligen. Drei, vier Stunden, sagten Sie?«
Der Mann nickte. »So ungefähr. Genau weiß ich das nicht. Je nachdem, ob sie etwas findet oder nicht.«
Sie gab ihm ihre Nummer, legte ihm nahe, Frau Berg um einen Rückruf zu bitten, verabschiedete sich dann.
»Herbert Bauer«, murmelte Braig, als sie das Haus verlassen hatten und im Nieselregen auf der Straße standen. Er öffnete seinen Schirm, hielt ihn in die Höhe, Neundorf in seinen Schutz miteinbeziehend. »Vielleicht hätten wir ihn danach fragen sollen, ob Frau Berg Beziehungen mit Großaspach unterhält.«
»Das werden wir hoffentlich bald von der Frau selbst erfahren.«
»Ob er hier mit ihr zusammen lebt?«
»Das könnte sein. Er schien jedenfalls ziemlich überrascht, dass wir zu Frau Berg und nicht zu ihm wollten.«
»Vielleicht sollten wir ihn sicherheitshalber überprüfen.«
Braig sah das Nicken seiner Kollegin, reichte ihr den Schirm. Er zog sein Handy aus der Tasche, fragte, ob der Mann im Zentralregister des LKA verzeichnet war. Es gab zwar eine ganze Menge von Personen seines Nachnamens, gegen die etwas vorlag, jedoch keinen Herbert.
»Unbekannt«, sagte er, »wenigstens kein alter Kunde. Hauptsache, die Frau kommt bald von ihrem Einkauf zurück.«
Er schaute zum Himmel, bemerkte, dass die Wolkendecke aufzureißen schien. »Und jetzt?«
Neundorf duckte sich unter den Schirm. »Was ist mit dem Drohbrief? Seid ihr weitergekommen?«
Braig starrte auf sein Telefon, hielt es hoch, gab Rauleders Nummer ein. Der Kollege nahm das Gespräch sofort an.
»Hat sich was Neues ergeben?«, fragte Braig.
»Du rufst im richtigen Moment an. Ich glaube, wir haben sie.«
»Wen? Die Verfasserin des Briefes?«
»Wenn wir Glück haben, ist sie es. Ihr müsst es überprüfen.«
Braig spürte seine aufkommende Erregung. Es schien, als ginge es endlich vorwärts. »Wie heißt sie?«
Rauleder ließ sich Zeit mit seiner Antwort, kramte in irgendwelchen Papieren. »Jasmin Hähnel. Wir fanden einen weiteren Teil des Schreibens mit dem Anfang ihrer Unterschrift. Die ersten vier Buchstaben ihres Vornamens waren zu entziffern. Anschließend schauten wir die Listen mit den weiblichen Bewerbern der letzten Monate im Büro Hemmers durch. Wir stießen auf diese Jasmin Hähnel. Sie bewarb sich als Sängerin und Tänzerin für verschiedene Shows, gab achtzehn als ihr Alter an. Irgendjemand hat es dann handschriftlich auf sechzehn korrigiert.«
»Sehr gut«, lobte Braig, »das habt ihr clever gemacht. Obwohl ich mir eine 15-Jährige nur schwer als Täterin vorstellen kann. Vor allem, wenn sie ihre Drohung sogar noch unterschreibt.«
»Wenn du dir den Rest ihres Briefes anhörst, fällt es dir vielleicht leichter«, erwiderte
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