Schwaben-Angst
Stadtrand von Kirchentellinsfurt zu begleiten, um sich an Ort und Stelle Materialien für die endgültige Identifikation des Toten zu besorgen. Er wollte der Ehefrau oder anderen Verwandten Fehrs den Anblick der Leiche ersparen, hoffte, die Angelegenheit auch auf weniger schmerzvolle Weise erledigen zu können.
Die Sekretärin empfing sie mit neugierigen Augen. »Was ist mit Herrn Fehr, warum kommt er nicht?«
Braig schätzte die Frau auf Anfang dreißig. Sie trug weiße Jeans und ein hellrotes T- Shirt zu einer saloppen, gelben Halbärmel-Jacke, war dezent geschminkt. Auf seine Frage hin stellte sie sich als Silvia Egerer, die persönliche Sekretärin Dieter Fehrs, vor.
»Wann haben Sie Ihren Chef zum letzten Mal gesehen?«
Sie hatte die Männer in ein großzügig angelegtes Büro mit einem exklusiven Schreibtisch und einer kleinen, durch eine hohe Glasscheibe abgetrennten Besucherecke geführt, ihnen dort Platz auf einem breiten Ledersofa angeboten. Mitten im Raum, auf einem rechteckigen Tisch, stand ein bunter Blumenstrauß. Braig betrachtete die Blüten, wunderte sich über die Vielfalt der Farben. Er bemerkte erst nach einer Weile, dass es sich um ein künstliches Gebinde handelte.
»Wieso fragen Sie? Ist Herrn Fehr etwas passiert?«
Er spürte die Ungeduld der Frau, über das ungewohnte Ausbleiben ihres Chefs informiert zu werden, bat sie, zunächst seine Fragen zu beantworten.
»Gestern Morgen«, erklärte Silvia Egerer, »gegen zehn. Er musste weg, zu einem Kunden.«
»Wie heißt dieser Mann?«
»Maurer. Es ist eine Firma in Nürtingen.«
»Herr Fehr war den ganzen Tag dort?«
Die Sekretärin schüttelte heftig ihren Kopf. »Um Gottes willen, nein. Das ging nur bis zur Mittagszeit. Anschließend musste er in unsere Filialen in Göppingen und Heilbronn.«
»Was wollte er dort?«
»Gespräche mit den jeweiligen Filialbetreuern und verschiedenen Kunden.«
»Haben Sie die Telefonnummer und Adressen dieser Filialen?«
Sie schaute ihn mit großen Augen an.
»Und der Firma Maurer, bitte.«
»Was sind das für Fragen? Wo ist Herr Fehr?«
»Die Adressen, bitte.«
Silvia Egerer ging aus dem Besucherraum, kehrte kurz darauf mit zwei Blättern zurück. »Hier, ich habe Ihnen die Adressen angekreuzt.«
Braig überflog die beiden Bögen, sah, dass es sich um eine Übersicht über die verschiedenen Standorte des Kurierdienstes Larch im Großraum Stuttgart und den Adressenausdruck der Firma Maurer in Esslingen handelte. Er bedankte sich, fragte, ob ihr Chef sich gestern im Verlauf des Tages telefonisch bei ihr gemeldet habe.
»Bei mir? Nein, wieso?«
»Ich dachte nur, ob er Sie etwa über den Erfolg seiner Gespräche informieren wollte.«
»Das ist nicht seine Art.«
Braig signalisierte Verständnis, indem er ihr zunickte. Er musste sich beeilen, weitere Fragen zu stellen, bevor er die Frau über den Tod ihres Chefs informierte. Er fürchtete, dass die Nachricht so schockierend wirken könne, dass sie anschließend zu keiner weiteren Auskunft mehr fähig wäre. »Beate Berg. Sagt Ihnen der Name etwas?«
Sie überlegte, schaute ihn fragend an. »Ist das nicht eine unserer Kuriere?«
»Sie war es, ja. In Ludwigsburg. Wissen Sie zufällig, weshalb sie nicht mehr bei Ihrer Firma arbeitet?«
Silvia Egerer schüttelte den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben zu viele Filialen und Angestellte. Um Personalfragen kümmert sich Herr Fehr.«
»Er ist für die Beschäftigung und Kündigung der Mitarbeiter allein verantwortlich?«
»Was den Großraum Stuttgart betrifft, ja. Wenn Sie in diesem Bereich Auskunft wünschen, müssen Sie ihn selbst fragen.«
Braig verzog sein Gesicht, ersparte sich eine Antwort. »Ist Ihnen zufällig bekannt, ob Herr Fehr für den gestrigen Abend etwas plante?«
Sie starrte ihn mit skeptischer Miene an.
»Ich meine, privat«, ergänzte er schnell.
»Sein Privatleben ist mir nur teilweise zugänglich«, antwortete sie etwas schwerfällig, »aber was er abends vorhatte? Woher soll ich das wissen? Er wohnt in Nürtingen, dorthin komme ich selten.«
»Er ist verheiratet?«
Silvia Egerer lachte. »Verheiratet? Oh nein, das würde nicht gut gehen.«
Braig wartete auf eine Erklärung.
»Da ist er nicht der Typ dafür.«
Er überlegte, was er unter dieser Aussage verstehen sollte. »Herr Fehr hat keine Familie?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist seit mehreren Jahren geschieden. Ich weiß es, weil er ständig über die hohen Unterhaltszahlungen für die drei Kinder
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