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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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lächelte ihm trotz ihrer sarkastischen Worte freundlich zu – es war ja ihr Alltag –, folgte dem Weg Richtung Westen.
    Braig schaute ihr nach, hörte Rauleders Stimme.
    »Der Student, der die Leiche entdeckte, wartet vorne an der Brücke.« Der Techniker zeigte nach Westen.
    »Habt ihr mit ihm gesprochen?«
    Rauleder nickte. »Zwangsweise. Der war nicht zu bremsen, redete sich den Teufel aus dem Leib. Ist kein Wunder, den Anblick wird er sein Leben lang nicht vergessen.«
    »Wann hat er ihn entdeckt?«
    »Kurz nach halb sechs heute Morgen. Es dämmerte gerade.«
    »So früh war er schon unterwegs?«
    »Er sah den Toten vom Stift aus. Dort drüben.«
    Braigs Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Kollegen, er sah die mächtigen Bauten des Stifts auf der anderen Flussseite in die Höhe ragen. Das Studentenwohnheim erhob sich, nur vom Wasser und einem leicht ansteigenden Grüngürtel getrennt, keine dreißig Meter vom Fundort des Toten entfernt. Er würde nicht umhin kommen, sich von dem Studenten genau erklären zu lassen, wie er auf die Leiche gestoßen war.
    »Ich werde mit dem Mann sprechen«, sagte er, »ihr kommt allein zurecht?«
    »Sorg dafür, dass ihr den Verbrecher endlich erwischet«, knurrte Rössle, »so was wie den da unte will i mir net noch mal zumute.«
    Der Kommissar folgte dem Weg ans Ende der Neckarinsel, sah den Menschenauflauf schon von weitem. Die übliche Hektik, die gewohnten Bemerkungen und Schreie, das vergebliche Bemühen der Beamten, die Menschen zu beruhigen.
    Braig fragte einen der uniformierten Beamten nach dem Studenten, der die Leiche entdeckt hatte, wurde über die Brücke auf die andere Seite des Neckar verwiesen. »Der wartet bei meinem Kollegen.«
    Er bedankte sich für die Auskunft, drückte sich durch die sensationslüsterne Menge.
    »Sind Sie der Arzt, der die Leiche untersucht hat?«, rief ein Mann.
    Braig gab keine Antwort, überquerte die Brücke, sah das Polizeifahrzeug stehen. Er lief zu dem Wagen.
    »Wir haben Glück«, sagte der Polizist, »ein Kollege hat die Leiche gefunden.«
    »Ein Kollege?« Braig wunderte sich. »Ich dachte, ein Student aus dem Stift?«
    »Das ist richtig«, mischte sich der junge Mann ins Gespräch, »ich war bis vor ein paar Jahren Polizeibeamter. Dann begann ich mit dem Medizinstudium.« Er stellte sich als Holger Schäffler vor, war sechsundzwanzig Jahre alt.
    »Sie konnten auf diese Entfernung erkennen, dass der Mann tot war?«
    »So seltsam verrenkt liegt kein lebendiger Mensch«, antwortete Schäffler, »außerdem nahm ich im letzten Semester an einem Seminar über Vergiftungsfolgen teil.«
    »Es war hell genug?«
    »Die Dämmerung hatte gerade eingesetzt. Es war etwa Viertel vor sechs.«
    Braig ließ sich von Holger Schäffler zum Stift führen, stieg mit ihm hoch in sein Zimmer, schaute aus dem Fenster. Die Neckarinsel und der Fluss lagen unmittelbar in seinem Blickfeld, die Leiche gut sichtbar, völlig verrenkt, am Hang der Böschung. Nur ein Blinder würde vermuten, dass dort drüben ein Mensch Siesta hielt.
    »Sie liefen auf die Insel und schauten sich den Toten an?«
    Schäffler schüttelte den Kopf. »Ich rief sofort die Polizei an. Dann weckte ich meinen Bruder. Jochen wohnt ein Stockwerk tiefer, er studiert Theologie und Germanistik. Ich zeigte ihm den Toten durch mein Fenster. Er stimmte mir sofort zu. Den direkten Anblick wollte ich mir ersparen.«
    »Das war vernünftig«, meinte Braig. Das Bild des Toten tauchte unvermittelt vor ihm auf. Er strauchelte, hielt sich am Fensterrahmen fest.
    Der junge Mann war kurz verschwunden, kehrte mit einem Fernglas zurück. »Hier, es gehört meinem Freund Matthias.«
    Braig nahm den Feldstecher, starrte kurz auf die Insel. Zwei Männer mit einer Trage hatten sich dem Toten genähert, waren dabei, ihn wegzubringen. Der Kommissar sah mit bloßem Auge, wie Rössle und Rauleder sich mit ihnen unterhielten.
    »Sie sind immer so früh wach?«
    »Mein Dienst beginnt um sechs. Ich mache ein Praktikum in der Uniklinik.«
    »Und vorher waren Sie Polizist?«
    »Nach dem Abitur.« Schäffler reagierte ausweichend. »Es war nicht das Richtige für mich. Ich brach die Ausbildung ab.«
    Braig hatte den Eindruck, dass der junge Mann nicht darüber reden wollte, verzichtete auf weitere Fragen.
    »Ich wollte nicht länger den Idioten für unfähige Politiker spielen.«
    »Das kann ich nur zu gut verstehen«, sagte Braig.

24. Kapitel
    Braig hatte Rauleder gebeten, ihn zum Sitz des Kurierdienstes Larch am

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