Schwaben-Filz
einen Kilometer entfernt. Wenn Sie vom Schloss her auf uns zulaufen würden, eine Person eher Richtung Westen, die andere Richtung Osten?«
»Wir versuchen es«, sagte Braig dem Mann zu. »Gerade haben wir das Schloss erreicht.« Er ließ sich die Handy-Nummer der anderen Gruppe geben, teilte dem Kollegen seine eigene und die Nummer des Begleiters mit.
Neundorf stellte den Wagen unmittelbar an der Straßenkreuzung vor der Mensa ab. Die Umgebung lag im Dämmer einzelner Lichter, kein Mensch war zu sehen. Die Luft schien zu stehen, sie war überraschend warm, nicht ein Windhauch zu spüren. Einzelne, unbestimmbare Laute, vielleicht die von Tieren, drangen aus dem Park, unterlegt vom unablässigen Brummen unzähliger Motoren. Die Autobahn drüben am Flughafen, überlegte Braig.
Sie entsicherten ihre Waffen, schauten sich nach allen Seiten um. Nichts, kein einziges Lebewesen war zu sehen. Die Taschenlampe in der linken Hand liefen sie auf das Schloss zu. Braig schwitzte schon nach wenigen Metern. Er öffnete seinen Kragen, sah das Hauptgebäude aus dem Dämmer tauchen. Sie folgten ihm, bogen dann auf den Weg mitten durch den Schlosspark ab. Die Luft war fast unerträglich warm. Was ist nur los, überlegte er, 18 oder noch mehr Grad und das Anfang November mitten in der Nacht?
Ein schrilles Fiepsen vor seinen Füßen riss ihn aus seinen Gedanken. Er leuchtete auf den Boden, sah den Schatten eines kleinen Tieres in die Büsche abtauchen. Wenige Meter weiter das Rascheln von Blättern. Er hielt seine Taschenlampe von sich weg, leuchtete in die Ferne. Irgendein Vogel flatterte erschrocken auf.
Am Übergang zum Botanischen Garten trennten sie sich. Die Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Er sah die Umrisse vieler Büsche, dann, als er sich dem Exotengarten näherte, hohe, anscheinend bis in den Himmel ragende Bäume. Er starrte nach vorne, versuchte das Dunkel vor sich mit seinen Blicken zu durchbohren, erahnte plötzlich einen, nein, zwei davonhuschende Schatten, nur wenige Meter von sich entfernt.
Braig reagierte geistesgegenwärtig. »Halt!«
Er schrie so laut er konnte, schaltete seine Taschenlampe ein, richtete ihren Strahl in die Richtung der erahnten Schatten, sah tatsächlich einen Menschen ins Unterholz der nahen Büsche schnellen. »Halt!«
Ihm blieb keine Zeit, zu überlegen. Für den Moment einer Sekunde blieb er stehen, riss instinktiv seinen rechten Arm hoch, schoss in die Luft. »Polizei! Stehen bleiben oder ich schieße!«
Im gleichen Moment sah er einen zweiten Schatten von rechts auf sich zu jagen. Er fürchtete einen Angriff, warf sich zur Seite, hörte das Echo des Schusses wie Donnergrollen in der Umgebung verhallen. Das Licht seiner Taschenlampe huschte über die Äste der Bäume, beleuchtete das schmale Wiesenstück vor ihm. Er glaubte, zu träumen.
Keine fünf Meter von ihm entfernt standen zwei Menschen, in den Lichtkegel seiner Taschenlampe starrend, die Arme hoch erhoben. Ein Mann und eine Frau.
»Bitte!«, hörte er eine flehende Stimme. »Tun Sie uns nichts. Sind Sie wirklich von der Polizei?«
Bevor er antworten konnte, meldete sich sein Handy.
»Polizei«, sagte er laut, das seltsame Paar vor sich im Scheinwerferlicht seiner Lampe beobachtend, »ja.«
Neundorf war in der Leitung. Er klemmte das Gerät zwischen Schulter und Wange, ließ die beiden vor ihm nicht aus den Augen.
»Wer hat geschossen?«, fragte sie. Ihre Stimme klang gedämpft, leicht außer Atem.
»Ich«, erklärte er, »ich habe eine Frau und einen Mann gestellt.«
»Ruppich?«
»Nein«, sagte er, »soweit ich es im Moment beurteilen kann, nicht. Seine Schwester ist ein ganz anderer Typ.«
»Du schaffst es?«, fragte sie. »Wir sind nämlich selbst hinter zwei Personen her. Ich habe die Kollegen getroffen. Wir sind unten im Tal an der Körsch auf der anderen Seite der Mittleren Filderstraße. Vielleicht haben wir mehr Glück.«
»Ich werde es versuchen. Bis dann.« Er steckte das Handy weg, sah von links her zwei Lichtkegel auf sich zukommen.
»Alles okay?«, rief eine männliche Stimme.
Er hörte die Stimme des Beamten, mit dem er kurz vor ihrer Ankunft telefoniert hatte, gab sich zu erkennen. »Hier. Da sind zwei Leute.«
Die beiden uniformierten Kollegen traten aus dem Dunkel, richteten den Schein ihrer Lampen kurz auf sich selbst, dann ebenfalls auf das Paar vor ihnen.
»Oh, zum Glück stimmt es, Sie sind wirklich von der Polizei. Mein Gott, habe ich eine Angst gehabt«, stöhnte die
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