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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Zeit, ja. Aber jetzt wissen wir Bescheid.«
    »Und? Henfle, wer sonst?«
    »Wer sonst?« Neundorf ließ ein lautes sarkastisches Lachen hören. »So hätte ich das auch formuliert, ja.«
    »Wieso? Eigentlich war es zu befürchten, oder?«
    »Eigentlich, ja.« Neundorf lachte erneut. »Aber nur eigentlich.«
    »Was ist los?« Braig hatte Schwierigkeiten, ihre seltsame Reaktion zu verstehen. »Du bist übermüdet, ist es das?«
    »Übermüdet? Ja, das ist möglich.«
    »Und frustriert, weil Ruppich schon wieder zugeschlagen hat und wir es nicht verhindern konnten.«
    »Das ist gut, sehr gut sogar.«
    »Ruppichs drittes Opfer. Und wir Idioten rennen ihm die ganze Zeit hinterher und kommen jedes Mal zu spät.«
    »Nein«, erwiderte sie.
    »Was: nein? Sein Bekennerschreiben lag nicht dabei?«
    »Doch. Es lag dabei. In einer Tasche seiner Hose.«
    »Na, also.«
    »Trotzdem.«
    »Was willst du mit deinem Trotzdem? Wir haben Ruppichs drittes Opfer. Henfle. Leider war das zu erwarten, machen wir uns nichts vor.«
    »Du stehst total daneben«, erklärte Neundorf.
    »Wie meinst du das?«
    »Wir haben Mist gebaut, ganz großen Mist.«
    Braig richtete sich auf, schälte sich aus dem Bett.
    Ann-Katrin schlug ihre Augen auf, betrachtete ihn stirnrunzelnd. »Was ist heute nur los?«, brummte sie.
    »Katrin«, antwortete er, »sie ist etwas übermüdet.«
    »Übermüdet«, gab seine Kollegin zur Antwort, »wenn es nur das wäre.«
    »Wieso haben wir Mist gebaut? Wie soll ich das verstehen?«
    Neundorf zeigte keine Reaktion.
    »He, bist du noch da?«, rief er.
    Ann-Katrin schüttelte missbilligend ihren Kopf.
    »Der Tote ist …« Der Rest von Neundorfs Worten ging im Läuten seines Weckers unter.
    Verärgert brachte er ihn zur Ruhe, fragte nach. »Was wolltest du gerade sagen?«
    Sie ließ ihn zwei, drei Sekunden warten, wiederholte dann ihren letzten Satz. »Der Tote ist … Es ist nicht Henfle. Es ist Ruppich.«
    Braig hielt mitten in seiner Bewegung inne, starrte ins Leere. »Wie bitte?«
    Neundorf stöhnte laut, verlieh ihrer Sprache eine gestelzte Ausdrucksweise. »Bei dem Toten handelt es sich um Ruppich, und er ist seit mindestens acht Tagen tot.«
    Irgendetwas lief schief, er spürte es. Entweder seine Kollegin hatte Probleme, oder …
    »Du hast richtig gehört«, beharrte sie.
    »Der Tote ist Ruppich?«, flüsterte er. Er spürte einen leichten Schwindel, hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, ließ sich rückwärts auf sein Bett fallen.
    »Was ist los?« Ann-Katrin musterte ihn mit besorgter Miene.
    »Sonst ist alles okay?«, hauchte er ins Handy.
    »Sonst ist alles okay«, bestätigte seine Kollegin. »Und ich bin weder völlig übermüdet noch besoffen oder bekifft, wenn du das vielleicht vermutest. Aber, lieber Kollege, vor etwa einer halben Stunde teilte mir Dr. Schäffler, unser allseits bekannter Gerichtsmediziner, verbindlich mit, dass es sich bei der heute Nacht unterhalb des Hohenheimer Schlossparks gefundenen Leiche um den vor etwa acht bis zehn Tagen getöteten Markus Ruppich handelt. Verbindlich, verstehst du? Schalte die Nachrichten an, sie werden es bald bringen.«
    »Aber das kann doch nicht wahr sein!« Braig schrie in sein Handy, erschrak über seinen eigenen Tonfall.
    »Er ist es, der Befund ist verbindlich. Abgleich der Zähne, Größe des Skeletts und so weiter, es gibt keinen Zweifel. Und auch was den Todeszeitpunkt betrifft. Mindestens acht Tage ist er tot. Du verstehst, was das bedeutet?«
    Braig fand keine Kraft mehr zu einer Antwort.
    »So, tut mir leid, dass ich nichts Besseres zu melden weiß, aber so ist das Leben nun mal. Und ich benötige jetzt dringend ein paar Stunden Schlaf. Nach der Nacht und dem Schock jetzt danach. Verschone mich bitte mit weiteren Nachfragen, ich schalte mein Gerät ab.«
    Sie hatte das Gespräch einfach beendet, ihn mit seinem brummenden, völlig verwirrten Schädel allein gelassen. Braig schaltete das Handy ab, warf es zur Seite. Ruppich war tot, seit acht bis zehn Tagen? Seit acht bis zehn Tagen? Er musste erst verarbeiten, was das bedeutete. Seit acht bis zehn Tagen?
    Ruppich war weder der Mörder von Grobe noch der von Robel. Und auch nicht die Person, die für Henfles Verschwinden verantwortlich war. Seit acht Tagen hatten sie ein Phantom verfolgt, die falsche Person gejagt. Ruppich lag, während er und seine Kollegen die Öffentlichkeit mit großen Worten über dessen Verbrechen informiert hatten, längst tot in der Erde, hingestreckt von einer Person, von deren

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