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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Solitude, auf den Fildern das Schloss Scharnhausen und auf der Alb das Schloss Grafeneck errichten. Unzählige Reisen zu Oper- und Ballettaufführungen etwa in Venedig rundeten seinen Lebensstil ab. Giacomo Casanova schrieb 1760:
Der Hof des Herzogs Carl Eugen ist der glänzendste von ganz Europa
.
    Mit immer neuen Steuerforderungen versuchte der württembergische Despot, dieses Dasein zu finanzieren. Obwohl er seine Untertanen bis aufs Blut aussaugte, stiegen seine Schulden dermaßen, dass der seit dem Tübinger Vertrag 1514 existierende, aus Vertretern des Adels bestehende württembergische Landtag sich an den Reichshofrat in Wien wandte und Carl Eugen mit einer Klage wegen unaufhörlichen Verfassungsbruchs drohte. 1770 wurde der absolutistische Tyrann in einem Erbvergleich tatsächlich verwarnt und dazu gezwungen, die Machtkontrolle durch die Adligen gemäß dem Tübinger Vertrag zu akzeptieren.
    Genau in dieser Zeit trat eine junge Frau in Carl Eugens Leben, der viele Historiker eine Änderung, zumindest eine Mäßigung seines ausschweifenden Lebensstils zuschreiben. 1748 in Adelmannsfelden in der Nähe von Ellwangen als fünftes von 15 Kindern des verarmten Freiherrn Ludwig Wilhelm von Bernerdin zu Pernthurn auf Pregrat geboren, war Franziska von früh auf an einen einfachen, vom Verzicht auf fast alle Annehmlichkeiten des Lebens geprägten Alltag gewöhnt. Weil die Vorfahren der Eltern ihres evangelischen Glaubens wegen aus Kärnten verjagt worden waren, hielt die Familie an ihrer typisch protestantischen Lebensauffassung fest: Nicht die Welt, nicht die Kirche, nicht der Herrscher galten als Richtmaß ihrer Entscheidungen, vielmehr nur Gott und das eigene Gewissen. Dieses Bewusstsein mag Franziska später geholfen haben, dem selbst die primitivsten moralischen Grundregeln im Umgang mit anderen Menschen missachtenden Despoten als eigenständige Persönlichkeit gegenüberzutreten und sich nicht zum Objekt seiner ungezügelten Machtwillkür und Sexbesessenheit degradieren zu lassen.
    Die zum Himmel schreiende soziale Ungerechtigkeit in Carl Eugens Land und deren katastrophale Auswirkungen auf das Leben der kleinen Leute hatte Franziska bereits in ihrer frühen Jugend am eigenen Leib erfahren müssen: Mit 16 Jahren war sie mit Baron Friedrich Wilhelm Reinhard von Leutrum, der ihrem Vater sehr viel Geld geliehen hatte, verheiratet worden, einem Mann, der als körperlich übel gestaltet und seelisch nicht weniger missraten beschrieben wurde. Er soll sie mehrfach betrogen und geschlagen haben, zudem oft betrunken gewesen sein.
Heirathen heißt, aus einem freien Menschen ein Leibeigener werden
, urteilte Franziska in ihrem Tagebuch.
    Doch dann lernte sie im September 1771, vom herzoglichen Hofstaat zur Jagd nach Kirchheim unter Teck geladen, den württembergischen Despoten kennen. Ihrer
vornehmen und außergewöhnlichen Einfachheit
wegen sei sie aufgefallen – in einem Umfeld aufgeplusterter Hofschmarotzer. Den Aufenthalt am Fuß der Alb nutzte Carl Eugen, um tagsüber mit seinem Tross in den Wäldern der Umgebung Hirsche zu jagen, abends vergnügte sich die Meute mit Opern- oder Ballettaufführungen. Die Schreie der brünftigen Tiere hatten es dem Weiberhelden besonders angetan. Um seine speziellen Ziele zu verdeutlichen, geleitete er die mitgeführten Damen zu einer Lichtung mitten im Forst, an der die Lockrufe des männlichen Wildes besonders gut zu hören waren. Und mitten in diesem wilden Treiben traf der brünstigste Oberhirsch Württembergs auf die junge Franziska von Leutrum.
    War es Liebe auf den ersten Blick? Schon auf den den Kirchheimer Jagden unmittelbar folgenden Vergnügungen in den Wäldern um Schorndorf, wo Carl Eugen sich samt seiner Meute der Verfolgung der zahlreich dort vorhandenen Wildschweine widmete, wich der Herzog nicht mehr von Franziskas Seite. Die Fahrt von Kirchheim nach Schorndorf hatte sie im Wagen Carl Eugens zugebracht – ohne ihren Angetrauten. Wenige Wochen später galt Franziska als offizielle Mätresse des württembergischen Herzogs. Ihren Mann fand der Despot mit einer hohen Summe ab, befreite sie zudem mit der gesetzlichen Scheidung aus ihrem Ehemartyrium. Wie sehr der Weiberheld von Franziska beeindruckt war, zeigt die Tatsache, dass er alle seine bisherigen Mätressen binnen kurzer Zeit auszahlte und in ihre Heimat zurückschickte.
    Carl Eugen – der durch die Begegnung mit der jungen Frau von Leutrum geläuterte Herrscher? Keineswegs. Wie die Historiker konstatieren, ließ

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