Schwaben-Filz
erfordert unsere volle Konzentration«, begrüßte ihn der Mann.
Die Wortwahl und der lasche Händedruck, der wie gewohnt den Gedanken an die versehentliche Berührung eines glitschigen, auf einem Marktstand zum Kauf angebotenen Fisches in ihm aufkommen ließen, auch die wie immer feucht glänzenden, üppig gegelten Haare ließen Söderhofer auf den ersten Blick völlig unverändert erscheinen. Je weiter ihr eigentlich rein beruflich bedingtes Gespräch jedoch gedieh, desto deutlicher wurde, dass der Staatsanwalt heute einiges von seinem sonst üblichen, absonderlichen Gebaren abgelegt zu haben schien. Zwar hatte er ihn gleich am Anfang wieder einmal mit einer seiner gedankenlosen Bemerkungen: »Wie geht es Ihren Söhnen?«, traktiert, doch versetzten verquere Äußerungen dieser Art den Kommissar schon seit Langem nicht mehr in irritierende Grübeleien. Für Söderhofer schien es, weshalb auch immer, als Nachwuchs nur Angehörige des männlichen Geschlechts zu geben, so viel hatte Braig längst begriffen. Dass er seit über zwei Jahren glücklicher Vater eines gesunden Mädchens war, überforderte offensichtlich die intellektuelle Speicherkapazität des Juristen.
»Unserer Tochter geht es gut«, hatte er deshalb mit kräftiger Stimme mehrere Deut lauter als sonst, kommentiert, »Danke der Nachfrage.« Vielleicht halfen die zusätzlichen Dezibel den kognitiven Fähigkeiten seines Gesprächspartners auf die Sprünge.
Der Staatsanwalt hatte auf Braigs Antwort überhaupt nicht reagiert, war sichtlich von seinen eigenen Gedankengängen in Beschlag genommen. Er hatte das Fahrzeug gestartet, war der Taubenheimstraße gefolgt, dann nach etwa zweihundert Metern auf die Augsburger Straße abgebogen.
»Darf ich fragen, wohin wir fahren?«
Söderhofer hatte kurz zur Seite geschaut, das Erstaunen über die Wissbegier seines Nebenmannes im Blick. »Nach Esslingen. Rolf Grobe ist seit gestern Abend spurlos verschwunden ohne jedes Lebenszeichen. Das hat er noch nie getan.«
Braig schob den Kopf zurück, um dem modrigen Schwall intensiven Mundgeruchs auszuweichen, der ihm entgegenwaberte, bemerkte die angespannte Körperhaltung des Staatsanwaltes. »Wer ist dieser Herr Grobe, in welchem Zusammenhang steht er mit Deimel?«
Sein Nachbar ließ ein lautes Seufzen hören. »Sie sind ganz schön hartnäckig, wie?«
»Das bringt mein Beruf so mit sich, ja.«
Braig bemerkte Söderhofers Kopfbewegung, mit der er ihn kurz musterte, blickte geradewegs nach vorne. Die Rückfront eines sperrigen Lastwagens raubte ihm fast den kompletten Ausblick.
»Was diese Investigation betrifft«, der Staatsanwalt seufzte erneut, »Sonja, also Frau Grobe, wir kennen uns von früher. Vom Studium, um es genau zu sagen.«
Was immer das heißen mochte, überlegte der Kommissar. »Und der Zusammenhang?«
»Es gibt keinen Zusammenhang. Frau Grobe vermisst ihren Mann.«
Braig glaubte nicht richtig zu hören. »Sie kennen die Frau vom Studium?«, fragte er. »Sie ist ebenfalls als Juristin tätig?«
»Im Ministerium«, bestätigte sein Gesprächspartner, »ja.« Er holte tief Luft, versuchte seine Aussage zu relativieren. »Aber nicht, dass Sie glauben …«
»Ich glaube überhaupt nichts.« Natürlich war ihm klar, was es bedeutete, wenn Söderhofer diese neue, ihm aus privater Verbindung zugetragene Sache mitten in ihre bisherige, für so dringlich erachtete Ermittlung schob. Eine alte Bekannte aus der höheren Kaste. Die da oben hielten sich für etwas Besseres. Sie beanspruchten Sonderrechte für sich und ihresgleichen. »Sie waren also befreundet«, versuchte er zur Sache zu kommen, »hat sie Sie deshalb angerufen?«
Der Staatsanwalt ging nicht auf seine Frage ein. »Heute Morgen kurz nach acht. Sie hat Angst, dass ihm etwas zugestoßen ist.«
»Sie haben sie nicht beruhigt? Ich meine, Sie wissen doch selbst: Fast alle, die in einem so frühen Stadium als vermisst gemeldet werden, tauchen wieder auf. Ziemlich bald.«
»Ja, ja, ja.« Söderhofer trommelte mit seiner Rechten auf das Steuer. »Aber versuchen Sie das mal jemand in dieser Situation klarzumachen. Sonja ist überzeugt, dass ihm etwas zugestoßen ist. Er hat sich immer gemeldet. Immer! Was antworten Sie darauf?«
»Warum hat sie solche Angst? Liegt eine besondere Gefährdungssituation vor?«
»Möglicherweise, ja.«
»Um was geht es? Hat es mit seinem Beruf zu tun?«
»Mit seinem Beruf? Nicht direkt. Rolf Grobe ist Inhaber einer Immobilien-Firma. Er hat sich auf Großprojekte
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