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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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steigern? Diese Fragestellung kristallisierte sich bald als zentrale Zielsetzung unserer Arbeit heraus. Genau das hatte Jahre zuvor schon die weltweit im Ausbau der Bahn führende Schweiz getan und danach ihr Eisenbahnnetz optimiert, und genau das sollten wir jetzt auch tun. Fast ein ganzes Jahr waren wir im Land unterwegs. Wir besichtigten Strecke um Strecke, begutachteten ihre Führung, die Topographie, den Ausbauzustand, überprüften Verbesserungschancen, loteten deren günstigste Finanzierungspotentiale aus. Anschließend machten wir uns an die Verknüpfung der einzelnen Linien, schließlich hat das Ganze nur dann einen Sinn, wenn alle Bahnstrecken unmittelbar ineinander übergehen. Anhand der bereits existierenden Strecken erstellten wir für ganz Deutschland ein optimiertes Netz, das sowohl dem Güter- als auch dem Personenverkehr beste Entfaltungschancen eröffnet. Wir prüften Variante auf Variante, erarbeiteten vom äußersten Norden bis in den Süden des Landes eine detaillierte Planung für die nächsten Jahre: Hier ein zweites Gleis, dort eine begradigte Linienführung, in der einen Region völliger Neubau der Gleise, in der anderen die Elektrifizierung wichtiger Anschlussstrecken. Kein einziger von all den beteiligten Wissenschaftlern gönnte sich in den vier Jahren einen längeren Urlaub, so sehr hatte uns die Aufgabe gepackt. Und heute können wir eindeutig sagen: Die Arbeit hat sich gelohnt und lässt sich sofort ohne jeden weiteren Aufwand in die Tat umsetzen. Das zeigen nicht nur die teilweise überraschenden Ergebnisse, sondern auch die Resonanz, die wir von Bahnexperten, Verkehrswissenschaftlern, Planern und Politikern aus aller Welt erhielten. In Japan, China, Indien und anderen Ländern wurde unsere Studie sofort übernommen, um sie für die eigenen Erfordernisse umzuarbeiten. Und wissen Sie, zu welch sensationellem, vom Eisenbahnbundesamt geprüften und bestätigten Ergebnis wir jetzt nach vier Jahren intensiver Arbeit kamen?«
    Neundorf warf ihrem Gesprächspartner einen erwartungsvollen Blick zu.
    »Für gerade einmal elf Milliarden Euro können wir die Transportkapazität der Bahn in Deutschland verdoppeln. Elf Milliarden Euro im ganzen Land sinnvoll investiert und wir erhalten 100 Prozent mehr Leistung. Wissen Sie, wie viele Lastwagenfahrten wir dadurch einsparen?«
    »Mehrere Tausend, denke ich.«
    Hellner schüttelte den Kopf. »Mehrere Millionen, Jahr für Jahr. Verdoppelung der Bahnkapazitäten, das bedeutet Millionen von eingesparten Lastwagenfahrten jedes Jahr. Überlegen Sie, wie das unsere Straßen und Städte entlastet, wie viele Menschenleben durch weniger Verkehrstote und reduzierte Abgasmengen wir dadurch retten!«
    Neundorf sah die begeisterte Miene des Mannes, begann, seinen Enthusiasmus zu verstehen. »Respekt«, sagte sie, »das wird die Verkehrssituation im Land umkrempeln.«
    »Wird es nicht«, erwiderte der Mann.
    »Wieso?«
    »Weil unsere Arbeit nicht berücksichtigt wird, sondern im Müll landete.«
    »Wie bitte? Sie sagten doch selbst, dass mehrere Länder die Studie übernommen haben …«
    »Andere Länder ja, aber wir nicht. Unseren Politikern passt sie nicht in den Kram, ganz einfach.«
    Neundorf hatte es die Sprache verschlagen.
    »Millionen weniger Lastwagenfahrten jedes Jahr – das darf nicht sein. Schließlich werden dann weniger Lastwagen verkauft und einige Herren Spediteure verdienen weniger. Deshalb darf unsere Arbeit in Deutschland nicht realisiert werden. Und deshalb sorgen die Herren auch dafür, dass der Bahn das Geld fehlt, unsere Pläne zu verwirklichen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ganz einfach. Die Bahn steckt ihre Milliarden nicht in sinnvolle Netzergänzungen, sondern in verkehrspolitisch völlig sinnlose, dem Bahnverkehr sogar hinderliche Großprojekte wie
Stuttgart 21
. Neun, zehn oder am Schluss vielleicht auch elf Milliarden Euro für einen unterirdischen Bahnhof, von dem alle Experten wissen, dass er keinerlei Vorteile, sondern nur Nachteile für den Bahnverkehr bringt – und schon ist genau die Summe, die wir für unsere Netzoptimierung benötigen, sinnlos vergraben und die Spediteure können weiter ihre Gewinne machen. Dabei haben wir in unserer Studie ausdrücklich vor solchen Schwachsinnsprojekten wie
Stuttgart 21
gewarnt.«
    »Aber wenn irgendein Verkehrspolitiker eine Kamera auf sich gerichtet fühlt, fängt er doch an, von weniger Lastwagen zu labern.«
    »Weil die Leute das erwarten, ja. Aber kennen Sie noch viele etablierte

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