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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Ihrem Telefonat gestern Abend überwachen«, erklärte sein Begleiter. »Ich nehme an, die Kollegen haben es Ihnen vorhin bei Ihrem Anruf mitgeteilt. Von einem anderen Mann in seiner Nähe haben sie nichts bemerkt. Allerdings kann er diesen Ruppich irgendwo versteckt haben.«
    »Ich hoffe, wir können ihn so in die Mangel nehmen, dass er es uns verrät.«
    »Das müssen wir versuchen, ja. Immerhin sind wir einem mehrfachen Mörder hinterher. Oder?«
    »Zwei Opfer bis jetzt«, bestätigte Braig. »Mindestens.«
    »Da dürfen wir uns nicht zurückhalten. Auch wenn der Mann auf den ersten Blick nicht so wirkt. Stein, meine ich.«
    »Sie haben ihn gesehen?«
    »Vor einer Stunde, ja. Er saß vor seiner Wohnung, trank ein Bier. Gemeinsam mit Nachbarn. Er ist nicht zu übersehen.«
    »Buddha?«
    Grewe lachte. »Buddha, genau.«
    Sie hatten eine breite Straßenkreuzung und die von überlebensgroßen, römischen Götterfiguren gesäumte Puppenbrücke überquert, passierten das berühmte Holstentor mit den benachbarten Salzspeichern und tauchten unmittelbar dahinter in die Altstadt ein. Braig glaubte sich in eine andere Zeit versetzt. Ein Gewirr schmaler, von pittoresken Hausfassaden geschmückter Pflastersteingassen tat sich vor ihm auf. Malerisch verschnörkelte Gebäude rechts und links, so weit er sehen konnte, eines schöner als das andere, in einer Vielzahl, wie er das noch nirgends erlebt hatte. Eine Szenerie wie aus dem Mittelalter.
    »Mein Gott, das kann ja nicht wahr sein!« Er glaubte zu träumen, blieb mitten in einer der schmalen Gassen stehen. »Wo bin ich hier gelandet? In einem Freilichtmuseum?«
    »Lübeck«, sagte Grewe, »die Mutter aller 130 Hanse-Städte. Jahrhundertelang eine der großen Metropolen der Welt. Im Zweiten Weltkrieg total zerstört, aber mustergültig wieder aufgebaut. Mir scheint, Sie sind zum ersten Mal hier.«
    Braig nickte, blickte die Straße auf und ab. Rote, gelbe, weiße Fassaden, teilweise mit schiefen, auf der einen Seite ins Erdreich abgesackten Wänden, Fenster in allen Formen und Farben, verschnörkelte Erker, frisch herausgeputzte Giebel, üppig grüne Pflanzen mit prächtigen Blüten. Dazu grob-kantige Pflastersteine und alte, gusseiserne Laternen.
    »Weltkulturerbe der UNESCO«, erklärte sein Begleiter. »Über 3000 Bürgerhäuser aus Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus allein hier auf der Insel.« Er zeigte auf die Umgebung. »Mir ging es genauso, als ich hierher kam. Vor über zwanzig Jahren.«
    »Sie sind zugezogen?«
    Grewe lachte. »Der Liebe wegen. Das Elternhaus meiner Frau, es steht keine fünf Minuten entfernt. Was immer Sie mir bieten mögen, mich bringt niemand mehr aus der Stadt.« Er schaute nach vorn, wies auf einen Passanten, der gemütlich die Gasse entlangschlenderte. »Mein Kollege. Wir sind da.«
    Braig löste sich vom Anblick der Umgebung, hatte Mühe, in die Realität der Ermittlung zurückzufinden. »Stein wohnt hier?«
    »Im Bäckergang. Er zweigt dort vorne ab.«
    Sie folgten der Gasse, tauschten sich mit dem Kollegen, einem jungen, in legerer Zivilkleidung am Gassenrand auf sie wartenden Beamten aus.
    »Moin, Moin«, grüßte der Mann. »Alles in Ordnung. Weder Stein noch eine diesem Ruppich ähnliche Person kamen vorbei.« Er wies auf die Zeitung in seiner Hand, blätterte sie auf, zeigte Braig das sorgsam eingeklebte Fahndungsfoto Markus Ruppichs. »Es sei denn, er sieht inzwischen vollkommen anders aus. Dann …«
    »Ich hoffe nicht«, erwiderte Braig. »Herzlichen Dank für Ihre Mühe.«
    »Da nich’ für.« Der Beamte winkte mit der Rechten ab, wandte sich an seinen Kollegen. »Stein sitzt immer noch draußen. Mit irgendwelchen Nachbarn. Wenn ihr ihn in die Mangel nehmen wollt …«
    »Die andere Seite ist ebenfalls gesichert?«
    »Gerald Steen«, antwortete der Mann. »Und Frauke Carstens ist auch noch dabei.«
    »Sehr gut. Dann wollen wir mal.«
    »Viel Glück.«
    Grewe folgte der Gasse ein paar Meter, bog dann in einen nicht einmal mannshohen Durchgang ab, der in eines der Häuser eingelassen war. Braig glaubte zuerst, es handle sich um einen Nebeneingang, der in den Hof oder in den Garten des Anwesens führte, beugte den Kopf nach unten, um nicht an die Decke zu stoßen, und tauchte ins Dämmerlicht der etwa einen Meter schmalen Passage ab. Nach wenigen Metern hatte er sie, Grewe folgend durchquert, richtete sich wieder auf. Er glaubte, nicht richtig zu sehen. Ein lauschiges Areal voller Anmut, wie er es noch nie im Zentrum einer

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