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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Großstadt erlebt hatte, lag vor ihm. Im Vordergrund pittoreske, von Sprossenfenstern, Backsteinmauern, spitzwinkligen Giebeln und kleinen Erkern gezeichnete Häuser, von zierlichen Bäumchen, Sträuchern und unzähligen, aus Blumenkübeln mit den üppigsten, herbstlichen Blüten die Fassaden hochrankenden Pflanzen gesäumt. Katzen rekelten sich in den letzten Strahlen der Sonne, Kinder sprangen hin und her, Erwachsene und Jugendliche saßen in Gespräche vertieft oder Bücher lesend vor den Eingangstüren. Braig glaubte sich in die miniaturisierte Welt einer großen Modelleisenbahn versetzt.
    Er folgte seinem Kollegen den gepflasterten Gang entlang, nickte den Leuten, die sie passierten, freundlich zu. Nach 30 Metern etwa weitete sich der Weg zu einem kleinen Platz. Büsche und Bäume mit herbstlich bunt gefärbten Blättern bildeten ein lauschiges Dach. Ein Sandkasten voll spielender Kinder, von einer Hüpfburg und einer Rutschbahn flankiert, dazu zwei Bänke mit laut lachenden, aus Flaschen und Gläsern Bier und Saft trinkenden Erwachsenen. Die unförmige, dicke Gestalt in der Mitte fiel Braig sofort ins Auge. Bekleidet mit einem gelben T-Shirt und einer kurzen, blauen Hose, die die feisten Arme und Schenkel ungehindert zur Schau stellten, thronte der Mann mitten zwischen zwei jungen Frauen. Der Kontrast hätte kaum krasser ausfallen können. Links und rechts die beiden spindeldürren Wesen, in der Mitte die buddha-ähnliche Person. Buddha. Woher sonst sollte der Spitzname rühren?
    Braig drehte sich zur Seite, sah den Blick seines Begleiters auf den dicken Mann gerichtet, hörte dessen leises: »Da haben wir ihn.« Fast im gleichen Moment tauchten die Kollegen kaum merklich nickend am anderen Ende des Platzes ins Bild.
    »So, dann wollen wir mal«, erklärte Grewe. Er vergewisserte sich über Funk, dass jeder Zutritt des Gangs gesichert war, lief vollends zu der Menschengruppe auf den beiden Bänken.
    Braig folgte ihm, hörte, wie er die Leute begrüßte.
    »Moin, Moin. Schön warm heute hier draußen, was?«
    »Schön warm?«, kicherte eine der jungen Frauen. »Wer bist du denn, du schön Warmer?«
    Lautes Gelächter. Braig sah, wie sich ein Gesicht nach dem anderen mit breitem Grinsen überzog. Die Leute schienen in ausgelassener Stimmung.
    »Ich suche Kontakt«, erklärte Grewe. »Die warme Luft, versteht ihr …«
    »Oh, er sucht Kontakt«, kicherte die junge Frau. »Die warme Luft und die Hormone, was?« Sie konnte nicht an sich halten, bog laut lachend ihren Oberkörper nach vorne.
    Der Kriminalbeamte stimmte ihr kopfnickend zu. »So kannst du das sagen, ja. Mein Kontaktwunsch richtet sich heute allerdings auf Herrn Stein.«
    Braig sah, wie der Dicke überrascht aufschaute.
    Die beiden Frauen kreischten vor Vergnügen. »Auf Herrn Stein, so so. So einer bist du also.« Die eine tippte Grewe mit ihrem Zeigefinger auf die Brust, schüttelte sich vor Lachen. »Buddha, die Hormone treiben ihn zu dir, hast du gehört?«
    Stein fühlte sich offensichtlich nicht mehr ganz so wohl wie vorher. Den Blick starr auf Grewe gerichtet rutschte er zwischen den beiden jungen Frauen hin und her, soweit der Platz es zuließ.
    »Buddha, was ist, willst du deinen neuen Lover nicht begrüßen?«, juxte die Frau. »Mit einem zünftigen Küsschen vielleicht?«
    Grewe blieb ruhig, gab Stein mit einer Geste hin zu den Häusern zu verstehen, dass er ihn alleine sprechen wollte. Es dauerte mehrere Augenblicke, bis der Mann endlich reagierte.
    »Der will zu mir«, keuchte er etwas atemlos. »Wahrscheinlich wegen meiner neuen Unfallversicherung.«
    »Unfallversicherung?«, kreischte die Frau. »Hast du Angst, du baust einen Unfall?«
    »Tja, man weiß nie.« Stein drückte sich schwerfällig in die Höhe, wackelte von der Bank weg. »Moin, Moin, bis nachher«, verabschiedete er sich.
    Das kleine Haus, in das er sie bat, war von außen genauso wie im Inneren ein besonderes Schmuckstück. Eine kräftig gelbe, nur von der Tür und einem schmalen Fenster gesäumte Fassade, darüber ein spitzgiebliger, kleiner Erker, von einer Blumengirlande mit kräftig lilafarbenen Blüten geschmückt. Die Außentür führte direkt in den großen Wohnraum, dem eine kleine Küche sowie die Garderobe angegliedert war.
    »Bullerei, was?«, fragte er übergangslos, kaum, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er wies auf ein riesengroßes, mindestens für fünf bis sechs Personen seines Leibesumfangs geeignetes Sofa, das etwa ein Drittel des ganzen

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